Ungnade: Thriller (German Edition)
dem blauen Stoff im kalten Neonlicht grelllila schimmerten.
Rebecca drückte die Austaste ihres Mobiltelefons, bis das Display erlosch, und steckte das Handy in die Gesäßtasche ihrer Jeans. Sie hatte die Besorgnis in Logans Stimme während ihres Telefonats nicht bemerkt.
» Danke«, sagte sie zu der Schwester und ging an ihr vorbei in das Krankenzimmer, während ihr die Frau mit dem Kaffeebecher einen hasserfüllten Blick nachsandte.
Die Schwester folgte ihr, schloss die Tür leise hinter sich und lehnte sich dann, die Arme vor der Brust verschränkt, mit dem Rücken dagegen.
Das Kopfteil des Bettes, in dem Roddy lag, war hochgestellt, sodass er sich in einer halb sitzenden Position befand. Er trug ein wenig attraktives, am Rücken offenes Krankenhaushemd, darunter aber immerhin noch die schwarze Lederhose, die er beim Konzert angehabt hatte.
Sein Kopf steckte in einem dicken Verband, mit seinem linken Arm hing er an einem Tropf. Wegen der starken Blutungen hatte man ihn notdürftig gewaschen, doch an seinem Hals und in seinem Gesicht klebte noch immer etwas verkrustetes Blut.
Das Abbild eines echten Rock ’n’ Rollers.
» Hatte einige Schwierigkeiten, eine Vene für den Katheter zu finden«, bemerkte die Schwester.
Rebecca verstand sofort. Man wusste also, dass Roddy an der Nadel hing. » Haben Sie ihm schon Blut für eine Untersuchung abgenommen?«, fragte sie, ohne sich nach der Schwester umzudrehen.
» Bis jetzt noch nicht.«
» Werden Sie es tun müssen?«
Die Frau antwortete nicht sofort. » Nicht solange wir von der Polizei nicht darum gebeten werden«, sagte sie schließlich.
Nun wandte sich Rebecca doch zu ihr um.
» Möchten Sie, dass ich es tue?«, fragte die Schwester.
» Nein«, sagte Rebecca. » Ist das ein Problem?«
» Für mich nicht. Wir machen, was Sie wollen.«
» Ich glaube, er hat heute Abend schon genug durchgemacht, finden Sie nicht auch?«
Die Schwester zuckte schweigend mit den Schultern, was wohl bedeuten sollte, dass es sie nichts anging und sie die Entscheidung allein Rebecca überließ.
Sie stellte sich neben das Bett und blickte auf Roddy hinunter. Sein Gesicht war leichenblass, durch das Krankenhaushemd hindurch konnte man fast seine Rippen zählen. Rebecca erinnerte sich, dass er schon als Jugendlicher sehr dünn gewesen war; jetzt aber wirkte er ausgezehrt. Unter seinen Augen waren die dunklen Ringe nicht zu übersehen. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. Die Haut fühlte sich warm und feucht an.
» Benötigen Sie mich hier noch?«, fragte die Schwester.
» Nein, aber ich dachte, Sie müssten in seiner Nähe bleiben, um ihn zu überwachen?«
Die Schwester trat vor und stellte sich neben Rebecca. » Kennen Sie ihn?«
Rebecca überlegte einen Augenblick lang. » Nicht wirklich«, sagte sie schließlich. » Aber ich habe ihn mal gekannt, vor sehr langer Zeit.«
» Er ist ein Junkie«, sagte die Schwester. » Das wissen Sie doch, oder? Ich meine, Sie als Polizeibeamtin müssen doch fast täglich mit solchen Leuten zu tun haben.«
» Ich weiß, dass er Drogen nimmt. Aber das macht ihn noch lange nicht zu einem Junkie. Tief in seinem Inneren ist er vielleicht noch der von damals. Vielleicht braucht er nur… Hilfe.« Als Rebecca merkte, dass sie Roddy vor der Schwester in Schutz genommen hatte, wandte sie peinlich berührt rasch das Gesicht ab.
» Machen Sie sich da mal nicht zu viele Hoffnungen«, sagte die Schwester.
Damit drehte sie sich um und ging. Rebecca hörte, wie sie hinter ihr die Tür öffnete. Die Geräusche des Chaos, das draußen herrschte, drangen einen kurzen Augenblick lang in das Zimmer, bis die Tür wieder geschlossen wurde. Erst jetzt fiel Rebecca auf, dass ihre Hand noch immer auf Roddys Arm lag. Rasch zog sie sie weg und ließ ihren Arm an ihrer Seite herunterhängen.
Vor ihrem Telefonat mit Logan hatte sie mit dem zuständigen Stationsarzt gesprochen und erfahren, dass Roddy sich zwar eine blutige Kopfverletzung und eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte, sich ansonsten aber dafür, dass er kopfüber zweieinhalb Meter tief von einer Bühne gefallen war, in bemerkenswert stabilem Zustand befand. Die Blutungen am Kopf hatten die Wunde schlimmer aussehen lassen, als sie in Wirklichkeit war, trotzdem war sie mit zwanzig Stichen von der Stirn bis unter den Haaransatz genäht worden.
Mit einem Mal fühlte sich Rebecca todmüde. Aus der Zimmerecke zog sie sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Sie stützte ihren Kopf in eine Hand und
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