Unguad
sie von der Schule kamen. Klar. Aber ein
schlechtes Gewissen hatte ich dennoch. Mein Gute-Mutter-Kodex war eindeutig
definiert: Eine gute Mutter hatte sich in erster Linie um ihre Kinder zu
kümmern. Eifersuchtsdramen wegen entlaufener Ehemänner waren zweitrangig.
Nun gut. Nachdem ich mir alle Schulgeschichten angehört, Brote
geschmiert und Vokabeln abgefragt hatte, war ich Rasen mähen gegangen. So
konnte ich mich abreagieren. Außerdem liebte ich es. Eine mäßig anstrengende
Beschäftigung an der frischen Luft, es roch gut, und man sah den sofortigen
Effekt. Der war zwar nach ein paar Tagen wieder zunichtegemacht, weil dieses
Gras einfach nicht zu wachsen aufhörte, aber das kannte ich ja von allen
anderen hausfraulichen Tätigkeiten. Sisyphus war nichts dagegen.
Gerade zog ich meine grün verfärbten Turnschuhe aus und freute mich
auf eine Dusche vor dem Abendessen, als das Telefon klingelte. Vicky ging ran.
Redete, kicherte, und ich dachte, na, eine ihrer Freundinnen. Da schrie sie:
»Mama, der Paul!«
Paul. Typisch, dass er zur Unzeit anrief. Als alleinstehender
Privatier war er von jeglichen Forderungen, die andere an ihn stellen könnten,
frei. Er saß bestimmt in seinem schönen Chiemgau unter der schattigen Buche,
die seinen denkmalgeschützten Hof noch mehr verschönerte, und ihm stand der
Sinn nach Ratschen. Nun gut. Kurz.
»Hallo, Paul.«
» Cara mia , wie geht es dir?« Er spielte so
gerne den Italiener. Das konnte ich als Ein-Achtel-Italienerin natürlich nicht
unkommentiert lassen.
» Bello mio , du weißt, dass ich jetzt keine
Zeit zum Telefonieren habe? Ich stehe hier mit grünen Füßen, möchte unter die
Dusche und müsste eigentlich schon längst Abendessen machen.«
Mein Anrufer ließ sich von meinem unnetten Empfang allerdings nicht
aus der Ruhe bringen.
» Bellissima , man kann bei dir anklingeln,
wann man will, immer ist es unpassend. Aber heute scheinst du noch mehr auf
Bellen aus zu sein als sonst. Was ist passiert?« Paul kannte mich schon fast
mein ganzes Leben.
»Also …« Ich suchte mir eine stille Ecke, in der mich meine Kinder
hoffentlich nicht hörten, und erzählte ihm in Kurzform alles über Elvira,
Hecker und Martin. Dabei fiel mir siedend heiß ein, dass ich mit der Imhoff
nicht über den Hecker geredet hatte. Mist! Musste ich morgen machen.
»Karin, Karin, es ist unglaublich, was du alles an der Backe hast!
Schon wieder ein Mord! Dabei schaut euer Kirchmünster so idyllisch und harmlos
aus.«
»Kann ich ja nichts dafür! Ich habe es mir nicht ausgesucht, eine
Leiche zu finden.«
»Ja, natürlich. Aber sprechen wir über Martin. Ich kann es mir
einfach nicht vorstellen, dass er dich betrügt.«
»Das dachte man auch in anderen Fällen von untreuen Ehemännern«,
erwiderte ich bedrückt. »Wenn ich dich schon am Telefon habe: Linus hat mir
letztens erzählt, dass man mittels Handy den Aufenthaltsort von jemandem finden
kann. Weißt du, wie das funktioniert?«
»Handyortung? Na klar. Da brauchst du eine spezielle Software, die
du installieren und freischalten musst. Das ist alles. Man kann allerdings noch
viel mehr ausspionieren. Es gibt Programme, da kannst du wirklich alle
Gespräche abhören. Also nicht nur die am Telefon, sondern auch die frei
gesprochenen. Das Handy fungiert dabei sozusagen als Mikro. Schon pervers. Aber
du willst Martin doch nicht ausforschen, oder?«
»Ich weiß nicht.«
»Na, ich glaube, du würdest dich nicht wohlfühlen, ihm so
hinterherzuspionieren. Da muss es noch eine ehrliche, andere Lösung geben.« Er
kannte mich gut, allerdings nicht gut genug. Mit schlechtem Gewissen dachte ich
an den Beweggrund für die Grillparty, von der ich ihm jetzt einfach nichts
erzählte. Er brauchte ja nicht über alles im Bilde zu sein.
»Falls dir was einfällt, kannst du es mich ja wissen lassen. Aber
jetzt, Paul, muss ich weitermachen. Schön, dass du angerufen hast. Bis bald.«
» Ciao, bella . Melde dich, wenn du Hilfe
brauchst.«
Das Gespräch mit Paul hatte mir die Erkenntnis gebracht, dass ich
nur noch einen Fingerbreit davon entfernt war, eine nachspionierende,
Privatdetektive anheuernde Ehefrau zu sein. Das musste ein Ende haben!
Siebzehn Uhr dreiundzwanzig
In der Hoffnung, Anna zu treffen, radelte Linus zum Sapperlot.
Montags machte die Teestube auf. Im Winter wurde jede Menge Tee gekocht. Mit
seiner Tasse zog man im ganzen Haus durch die Zimmer und setzte sich dort dazu,
wo man gerade wollte. Manche spielten Karten oder Qwirkle. Die
Weitere Kostenlose Bücher