Unguad
gemächliche Aufzüge. Im Eilschritt ging es an den beiden Gemälden vorbei,
die meine Künstlerfreundin dem Krankenhaus gestiftet hatte und die seither das
Treppenhaus zierten. Hallo, Isabell. Bring mir Glück.
Schon war ich in der Abteilung angelangt, in der Martin als Oberarzt
arbeitete. Ich klopfte an seine Zimmertür und stürzte beinahe gleichzeitig
hinein. Ich konnte mindestens so forsch auftreten wie die Kommissarin. Aber
Leere empfing mich. Keiner da. Durch die Verbindungstür stürmte ich in das
Vorzimmer. Seine Sekretärin, Frau Hasreiter, sah erschrocken auf. Anscheinend
verbreitete ich eine Energie wie ein Himmelfahrtskommando.
»Frau Schneider, grüß Gott. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich suche meinen Mann, Frau Hasreiter.« Ich versuchte, mir mit
einem Lächeln einen normaleren Anstrich zu geben.
»Oh, der Doktor ist nicht da. Waren Sie verabredet?« Sie blickte in
ihren digitalen Terminkalender.
»Nein, nein. Ich war nur zufällig in der Nähe. Wissen Sie denn, wo
er ist?«
»Tut mir leid. Er hat nichts eingetragen.« Sie schaute mich besorgt
an. Oder war es etwa mitleidig?
»Können Sie mir dann wenigstens sagen, wann er zurückkommt?« Langsam
konnte ich meinen Ärger nicht mehr verbergen.
Sie blickte aufs Neue in ihren Computer. »Um sechzehn Uhr hat er
Visite.«
»So lange kann ich nicht warten. Geben Sie ihm diese Tabletten.«
Damit knallte ich ihr die gelben Dinger vom Béla Szabó auf den Tisch. »Er soll
nachschauen, um was es sich handelt. Bitte. Danke. Auf Wiedersehen.«
»Soll ich ihm noch etwas ausrichten?«, rief sie mir hinterher, aber
da fiel die Tür schon ins Schloss.
Ich raste durch die Gänge. Wahrscheinlich gab ich das Bild einer
durchgeknallten Ehefrau ab, denn die Krankenschwestern, die gerade aus Zimmern
treten wollten, wehte es förmlich wieder zurück. Aber das war mir egal. Ich war
jetzt stinksauer! Heiße Eifersucht ergoss sich in meinen Magen und brannte
höllisch ein tiefes Loch hinein. Wie konnte er mir das antun! Mitten am Nachmittag
hielt er ein Schäferstündchen mit der Altenpflegerin seiner Schwiegereltern!
Geschmacklos! Niveaulos! Bodenlos!
Ich hätte schreien können, stampfen, mit Gegenständen werfen. Aber
irgendwie brachte ich es fertig, das Krankenhaus zu verlassen, ohne jemanden zu
verletzen. Ins Auto konnte ich mich jetzt nicht setzen. So viel Klarheit drang
noch durch meine Wutwolke. Also zu Fuß. Ich lief einfach los. Egal wohin.
Rotthalmünster ist nicht allzu groß. Vom Krankenhaus aus eilte ich
an der ehemaligen Montessorischule meiner Kinder vorbei. Waren das damals
schöne Zeiten gewesen! So unbeschwert. Vor der Tür prunkte immer noch der
Schaukasten, in den eine kreative Mutter ein wunderschönes Filzbild gehängt
hatte. Dann hinab zum Marktplatz. An dem Goldschmied- und Kunsthandwerksladen
von Franzi vorüber. Ich sah sie an ihrer Werkbank sitzen und winkte ihr
flüchtig durchs Schaufenster zu. Da hatte Isabell auch mal ausgestellt. Weiter
den Platz hinunter über die Straße, um die Ecke, auf den Kirchplatz. Umrundete die
Kirche, schaute zum Turm hoch und fühlte mich schon wieder ein bisschen besser.
Meine Mordswut hatte sich abgekühlt. So ging ich langsamer den Weg
zurück. Kam am Naturkostladen vorbei. Ja, mir war nach einer Butterbreze und
einem Milchkaffee. Ich trat ein, das Glöckchen bimmelte, es duftete nach frisch
gebackenem Kuchen. Maria, die Besitzerin, hatte mich schon entdeckt. »Karin,
griaß di!«, rief sie mir von Weitem zu.
»Servus, Maria.« Hier war es gut. Gemütlich. Nie hektisch. Eine
eigene Welt. Ich erfreute mich an dem malerisch drapierten, knackigen Obst und
Gemüse. Warf einen Blick in die umfangreiche Käsetheke. Begrüßte den einen oder
anderen Kunden. Man kannte sich. Setzte mich mit meinem Nachmittagssnack an
einen Tisch im Café und ließ die Münsterer draußen vorbeiflanieren.
Da klingelte mein Handy. »Ja?«
»Mami, wo bist du denn?«
»Vicky!« Mensch, jetzt hatte ich meine Kinder ganz vergessen. Was
war ich nur für eine Mutter! Furchtbar!
»Schatz. Ich musste nur schnell etwas erledigen. Ich komme gleich
nach Hause. Wenn du Hunger hast, iss ein Müsli.«
Voller Schuldgefühle kaufte ich noch fix ein und hastete zum Auto
zurück. Auf dem Parkplatz sah ich, dass Martins Wagen inzwischen auch wieder
hier stand. Aber das war mir egal. Ich musste heim zu meinen Kindern.
Siebzehn Uhr zwei
Selbstverständlich hatten es meine lieben »Kleinen« überlebt,
dass ihre Mami nicht zu Hause war, als
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