Unheil
war. Nur, dass sie ihr
vollkommen fremd war und sie getrost darauf hätte verzichten können. Sie kam
sich ⦠unwirklich vor, als wären es in Wahrheit gar nicht die eingebildeten
Schatten, die nicht in diese Welt gehörten, sondern sie. Was
Eichholz und Levèvre ihr offenbart hatten, das hatte sie gleichermaÃen
schockiert wie verunsichert â natürlich hatte es das â, aber das war es längst
nicht allein gewesen. Unterschwellig und am Anfang ganz eindeutig, ohne dass es
ihr selbst auch nur bewusst gewesen wäre, hatte sich ein vollkommen absurder
Gedanke in ihr festgesetzt: nämlich der, dass sie vielleicht deutlich mehr
getan hatte, als nur einen besonders verachtenswerten Verbrecher zur Strecke zu
bringen.
Was, wenn Aisler tatsächlich ein Vampir gewesen war? Natürlich
keines jener lächerlichen Hollywood-Geschöpfe mit schwarzem Mantel und langen
Eckzähnen, mit denen sie ihren Opfern das Blut aussaugten, sondern etwas viel
Schlimmeres; eine Kreatur, die ihren Opfern nicht nur das Leben aussaugte, sondern
ihnen zugleich auch all ihre Menschlichkeit nahm, ein düsteres ⦠Ding aus einer verdorbenen falschen Welt, das jeden
infizierte, der auch nur mit ihm in Berührung kam.
Dieser Gedanke war beinahe noch abstruser als der vorherige, und sie
versuchte ihn als lächerlich abzutun und über sich selbst zu lachen.
Allerdings blieb er ihr mehr oder weniger im Halse stecken.
Verrücktes Zeug zu denken war vielleicht nicht unbedingt die cleverste Methode,
um sich selbst davon zu überzeugen, dass man noch alle Tassen im Schrank hatte â¦
Aber sie wusste , was sie gesehen hatte,
basta. Es war Aisler gewesen, und er hatte versucht,
sie mit seiner selbst gebastelten Vampirklaue zu erledigen, ganz egal, was
Eichholz und Levèvre auch immer behaupten mochten.
Der Zorn half zumindest dabei, die verrückten Gedanken aus ihrem
Kopf zu verscheuchen. EinigermaÃen mühsam stand sie auf, schlurfte zur Tür und
schaltete nun doch das Licht ein; ein sehr helles, fast schattenloses Licht,
das zwar zuverlässig die Dämmerung vertrieb und auch die unguten Dinge, die mit
ihm hereingekrochen waren, hastig wieder in ihre Verstecke zurückhuschen lieÃ,
ihr dennoch beinahe unangenehm war, sodass sie ganz automatisch die linke Hand
über die Augen hob, um sie vor der feindseligen Helligkeit zu schützen ⦠und fast
verwirrt in die Runde blinzelte. Seltsam â sie konnte sich gar nicht erinnern,
dass das Licht so grell gewesen war ⦠und auch nicht,
dass alles hier drinnen so sonderbar ⦠hart ausgesehen
hatte und feindselig.
Sie blinzelte, und als sie die Augen wieder öffnete, war das Licht
wieder vollkommen normal, und auch die vertraute Einrichtung sah wieder ganz
genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte. Obwohl seit ihrem Anfall von
Putzwahn heute Morgen alles vor Sauberkeit glänzte, erinnerte sie doch zugleich
alles irgendwie an eine Gefängniszelle. Seit diese Geschichte angefangen hatte,
hatte sie manchmal das Gefühl, den Boden unter den FüÃen zu verlieren.
Anscheinend war das alles doch ein bisschen zu viel für sie gewesen. Auch
Polizeibeamte waren allerhöchstens in Hollywoodfilmen daran gewöhnt,
ununterbrochen zusammengeschlagen, niedergestochen und angeschossen zu werden.
Vielleicht begann der Stress schlichtweg ihr Urteilsvermögen in Mitleidenschaft
zu ziehen. Und vielleicht war bei allem verständlichen Ãrger auf Eichholz und
diesen neunmalklugen Sesselfurzer Levèvre allmählich ein bisschen
Selbstdisziplin angesagt, bevor diese Armleuchter ihr Ziel am Ende noch
erreichten und sie wirklich anfing, Gespenster zu
sehen.
Das Funkgerät in ihrer Jackentasche knackte leise. Conny schrak aus
ihren Gedanken hoch, zog es hervor und drückte die Sprechtaste. »Ja?«
»Sie sollten allmählich herunterkommen.« Trauschs Stimme war so
verzerrt und von Störungen überlagert, dass sie sie kaum erkannte. »Noch zehn
Minuten. Und ⦠lassen Sie das Funkgerät oben.« Er schaltete ab, ohne auf eine
Antwort zu warten, und Conny blinzelte das Funkgerät noch eine halbe Sekunde
lang verständnislos an, bevor sie es endgültig ausschaltete und mit einer
erzwungen ruhigen Bewegung auf den Tisch legte, statt ihrem ersten Impuls
nachzugeben und es einfach gegen die Wand zu werfen. Für wie dumm hielt er sie
eigentlich? Die Gelegenheiten, bei
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