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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Art, und für einen
noch sehr viel kürzeren Augenblick hatte sie das sichere Gefühl, dass er sie
berühren würde.
    Aber der Moment verging genauso schnell, wie er gekommen war, und
ließ ein seltsames Gefühl der Leere zurück.
    Â»Ich weiß es nicht, Conny«, seufzte er. »Alles, was ich weiß, ist,
dass dort draußen niemand ist. Und auch niemand war. Sie haben ein Gespenst
gesehen.«
    Sie hatte in dieser Nacht – verständlicherweise – nicht
besonders gut geschlafen und erwachte am nächsten Morgen wie gerädert. Ihr Kopf
schmerzte, sie hatte einen wirklich üblen Geschmack im Mund, und ihr Nacken und
ihre Schultermuskeln waren verspannt. Es war bereits hell, und ein erster, noch
verschwommener Blick auf die Uhr brachte eine weitere Überraschung: Es war
beinahe zehn. Sie hatte schon wieder verschlafen. Das Licht, das durch ihre
noch halb geschlossenen Lider drang, schmerzte ihr in den Augen.
    Conny setzte sich auf, verzog die Lippen und rieb sich mit der
linken Hand den verspannten Nacken. Trausch war gestern Abend tatsächlich noch
einmal mit nach oben gekommen, und sie nahm eine Menge von dem zurück, was sie
bisher über ihn gedacht hatte; anscheinend hatte er klammheimlich ihr
Kopfkissen mit Beton gefüllt … jedenfalls fühlte sie sich, als hätte sie
versucht, auf einem solchen zu schlafen.
    Immerhin hatte sie geschlafen, und das war
schon deutlich mehr, als sie gestern Abend zu hoffen gewagt hatte.
    Sie hatte nicht vorgehabt, sich an den vergangenen Abend zu
erinnern, aber natürlich war allein dieses Vorhaben schon der sicherste Weg, es
doch zu tun, und ihre Miene verfinsterte sich, ohne dass sie selbst es auch nur
merkte, als sie die Beine aus dem Bett schwang und ins Bad schlurfte. Trausch
hatte sie rasch und ohne ein weiteres Wort des Vorwurfs zurück nach oben
gebracht, und er war auch nicht lange geblieben, sondern hatte sich sehr
schnell wieder zurückgezogen und ihr lediglich geraten, sich keine Sorgen zu
machen, irgendwie würde sich alles schon aufklären, wenn sie erst einmal in
Ruhe eine Nacht darüber geschlafen hatte … doch das hatte sie selbstverständlich
nicht beruhigt, sondern (genauso selbstverständlich) das genaue Gegenteil
bewirkt. Conny war nicht sicher, ob sie es sich nur eingebildet hatte oder
nicht, aber nachdem sein erster Zorn verraucht war, war er ihr schon beinahe
ein bisschen zu freundlich vorgekommen; als spräche
er mit einem kranken Kind. Oder einer Verrückten.
    Sie spürte die Gefahr, die auf dem Weg lauerte, den ihre Gedanken
schon wieder einschlugen, und brach ihn mit einer bewussten Anstrengung ab. Was
erwartete sie? Ihr Zimmer ging zwar nicht auf den verwilderten Garten hinaus,
aber sie hatte trotzdem – zumindest nach ihrem subjektiven Zeitempfinden – bis
lange nach Mitternacht am Fenster gestanden und dem lautlosen Hin- und
Herhuschen der Taschenlampen zugesehen, in deren Schein Trauschs Männer die
gesamte Umgebung anscheinend Zentimeter für Zentimeter abgesucht hatten.
Irgendwann hatte das geisterhafte Tasten und Suchen an Schwung verloren und war
schließlich ganz erloschen. Trausch war nicht noch einmal zurückgekommen.
    Nein, sie hatte wirklich keine besonders angenehme Nacht hinter
sich. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass der Tag, der ihr bevorstand,
auch nicht sehr viel angenehmer werden würde.
    Sie duschte ausgiebig und viel zu lange, womit sie ihren Kreislauf
genug malträtierte, um ein heftiges Schwindelgefühl hinter ihrer Stirn
auszulösen, trocknete sich noch ausgiebiger ab und betrachtete aufmerksam ihr
eigenes Konterfei im Spiegel. Abgesehen davon, dass sie noch immer ein wenig
müde und auf eine nicht nur körperliche Art erschöpft wirkte, überraschte sie
der Anblick beinahe. Sämtliche Spuren ihrer Begegnung mit Aisler waren
verschwunden. Ihr Gesicht wirkte nicht nur unversehrt, sondern auf eine schwer
in Worte zu fassende Weise … jünger; als wäre da trotz
der sichtbaren Erschöpfung in ihren Zügen plötzlich eine neue Energie in ihr,
eine Kraft, die vielleicht noch schlummerte, aber bereits im Erwachen begriffen
war.
    Sie streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, ging ins Wohnzimmer
zurück und warf die Kaffeemaschine an, bevor sie sich anzog. Das rote Licht des
Anrufbeantworters flackerte schon wieder hektisch und teilte ihr mit, dass der
Speicher wieder voll war. Anscheinend

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