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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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umzudrehen oder sich
davon zu überzeugen, dass sie die Tür hinter sich schloss. Die Angeln
quietschten noch genauso erbärmlich wie eh und je. »Was gibt es da zu
entschuldigen?«, erwiderte sie in fast amüsiertem Ton. »Ganz im Gegenteil.
Madam Übergenau kommt zu spät. Ich finde das sehr beruhigend.«
    Conny sagte nichts dazu, sondern drückte die Tür ins Schloss und
konnte sich selbst gerade noch davon abhalten, die altmodische Kette
vorzulegen. Allmählich, dachte sie, zornig auf sich selbst, war ihre Paranoia
nicht mehr lustig, sondern begann zu einem echten Problem zu werden. Wenn
Eichholz eine solche Szene mitbekäme, hätte er bestimmt seine helle Freude
daran.
    Sie folgte Sylvia ins Wohnzimmer und bemühte sich erst gar
nicht, ein missbilligendes Stirnrunzeln zu unterdrücken, während sie sich
schnell und sehr gründlich umsah. Nicht, dass es viel zu sehen gegeben hätte.
Die beiden schrägen Dachfenster, durch die normalerweise zu dieser Zeit des
Tages strahlend helles Sonnenlicht hereinströmte, waren mit schwarzen Papierjalousien
verschlossen, sodass es fast vollkommen dunkel hier drinnen war. Hätte sie
Sylvias Schritte nicht irgendwo vor sich gehört, hätte sie vermutlich Mühe
gehabt, sie überhaupt zu identifizieren. Beiläufig fragte sie sich, wie sie
sich überhaupt hier bewegen konnte, ohne ständig irgendwo anzustoßen oder etwas
umzuwerfen, gab sich die Antwort auf diese Frage aber auch schon eine Sekunde
später selbst: Vielleicht, weil sie keine Sonnenbrille trug.
    Hastig nahm sie die schwarzen Gläser ab, und es wurde ein bisschen
besser, irgendwie aber nicht wirklich angenehmer. Jetzt glich das Zimmer einer
finsteren Höhle voller bedrohlicher Umrisse mit verschwommenen Rändern. Es roch
schlecht; nach kalter Pizza, schalem Zigarettenrauch und Staub. Anscheinend war
hier seit Wochen nicht mehr gelüftet worden. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie
zum Fenster, zog die Jalousie hoch und bedauerte ihre eigene Idee sofort, als
ihre Augen noch immer genauso empfindlich wie gerade unten auf der Straße auf
das Sonnenlicht reagierten. Sie blinzelte, wandte geblendet den Kopf ab und zog
die Jalousie trotzdem zur Gänze hoch. Allerdings ließ sie das zweite Fenster
geschlossen.
    Â»He!«, protestierte Sylvia und hob geblendet die linke Hand über die
Augen. »Was soll das? Ich dachte, wir wären Freundinnen?«
    Â»Ja, und wenn wir es bleiben wollen, dann brauche ich ein wenig
Licht, bevor ich dich aus Versehen zu Tode trampele.« Conny sah sich zum
zweiten Mal und diesmal mit ganz bewusst strafendem Gesichtsausdruck um. »Wann
hast du das letzte Mal hier aufgeräumt? Zu Weihnachten?«
    Â»Stimmt«, antwortete Sylvia. »Ich hab nur vergessen, welches
Weihnachten.«
    Â»Vermutlich nicht in diesem Jahrhundert.« Der kleine Raum, der immer
so pedantisch aufgeräumt und gemütlich gewesen war, dass sich jeder auf Anhieb
darin wohlfühlen musste, bot einen völlig chaotischen Anblick. Es war nicht
wirklich schmutzig – auf dem Tisch standen ein voller Aschenbecher und ein
benutztes Glas, dem man ansah, dass es noch vom gestrigen Abend stammte, und
hinter der offen stehenden Küchentür konnte sie das Geschirr sehen, das sich in
der Spüle stapelte, das war allerdings auch schon alles. Dafür herrschte eine
furchtbare Unordnung, die irgendwie nicht nur danach aussah, als hätte Sylvia
einfach zu lange nicht aufgeräumt, sondern auf eine schwer greifbare Weise arrangiert .
    Â»Wenn ich eine Putzfrau brauche, gebe ich eine Annonce auf«, sagte
Sylvia ärgerlich. »Bist du nur gekommen, um herumzumäkeln?«
    Conny setzte zu einer entsprechend scharfen Antwort an, aber noch
bevor sie auch nur ein einziges Wort herausbekam, meldete sich ihr schlechtes
Gewissen. Es ging sie nichts an. »Nein«, sagte sie. »Entschuldige.«
    Sylvia machte eine wegwerfende Geste, beugte sich vor und nahm mit
zitternden Fingern eine Zigarette aus einer von gleich drei oder vier Schachteln,
die auf dem unaufgeräumten Tisch lagen. Sie wirkte ein bisschen erstaunt, als
sie Conny die Packung hinhielt und diese ablehnend den Kopf schüttelte, zuckte
aber nur mit den Schultern und kramte ein paar Augenblicke lang hektisch auf
dem Tisch herum, bis sie ihr Feuerzeug gefunden hatte.
    Â»Du hast ja recht«, sagte sie. »Hier müsste wirklich einmal
aufgeräumt werden.« Sie

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