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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geste vollkommener Hilflosigkeit, die schreckliche Wunde in
ihrem Hals mit der bloßen Hand zusammenzupressen, ohne den sprudelnden
Blutstrom damit auch nur abschwächen zu können, geschweige denn, zum Versiegen
zu bringen.
    Â»Es kommt alles in Ordnung«, stammelte sie. »Hilfe ist unterwegs. Du
musst durchhalten.«
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie etwas in der linken Hand
hielt; etwas Kleines und Hartes – das Handy, das Trausch ihr draußen gegeben
hatte. Hastig und ohne den Blick auch nur für einen halben Atemzug von Sylvias
Gesicht zu lösen, wählte sie die Notrufnummer.
    Ein Fußtritt traf ihre Schulter und schmetterte sie mit
solcher Wucht gegen die Wand, dass ihr das Handy entrissen wurde und
davonschlitterte. Conny spürte weder den pochenden Schmerz, noch begriff sie
wirklich, in Gefahr zu sein. Mit einer verzweifelten Bewegung hechtete sie
hinter dem Telefon her, bekam es zu fassen und schrie im nächsten Moment
schrill auf, als sich ein Fuß mit solcher Gewalt auf ihre Hand herabsenkte,
dass das Handy zwischen ihren Fingern zerbrach.
    Es tat entsetzlich weh, aber zugleich war der Schmerz auf sonderbare
Weise irreal. Irgendwie gelang es ihr, die Hand unter dem schweren Schuh nicht
nur hervorzuziehen, sondern sich zugleich auch herum- und ein Stück zur Seite
zu werfen und nach oben auszutreten. Diesmal war der Kerl vorgewarnt, sodass er
ihren Fuß mit einer schon fast spielerischen Bewegung beiseite fegte, aber die
winzige Ablenkung reichte ihr, sich endgültig loszureißen und ein kleines Stück
davonzukriechen.
    Sofort setzte der Angreifer ihr nach, trat ihr so hart in die Seite,
dass ihr die Luft wegblieb, und packte sie gleichzeitig mit einer Hand im
Nacken, um sie mit unwiderstehlicher Kraft auf die Füße zu reißen und
herumzuwirbeln. Trotz allem sah Conny jetzt, dass er keineswegs ein Dämon oder
irgendein anderes mythisches Ungeheuer war, sondern ein – wenn auch außergewöhnlich
großer – junger Mann, dessen totenbleich geschminktes Gesicht im flackernden
Licht der Kerzen nur aussah, als wäre es in Blut getaucht oder gehäutet. Er
hatte auch keine Fledermausflügel, sondern trug einen schwarzen, weit
geschnittenen Mantel und ein Hundehalsband mit fünf Zentimeter langen,
verchromten Stacheln. Seine rechte Hand war blutüberströmt, und etwas durch und
durch Widerwärtiges aus rasiermesserscharfem, gekrümmtem Stahl blitzte darin
auf, als er nach ihrer Kehle schlug.
    Conny kam ihm zuvor, indem sie ihm die Fingernägel beider Hände
durchs Gesicht zog. Der Kerl kreischte vor Schmerz und ließ sie los, versetzte
ihr aber zugleich einen so harten Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht, dass
sie halb bewusstlos zurücktaumelte und über den zerbrochenen Tisch fiel.
Scharfkantige Glassplitter bissen in ihre Unterschenkel und ihren rechten Arm,
und ein roter Nebel aus purem Schmerz verschlang ihren Blick.
    Als sie wieder sehen konnte, stand der Junge breitbeinig über sie
gebeugt da. Das Blut auf seinem Gesicht war jetzt tatsächlich sein eigenes,
aber in die Mischung aus Wut und Schmerz in seinem Blick hatte sich noch etwas
anderes gemischt, etwas, das sie vor Entsetzen schier erstarren ließ. Hinter
ihr waren noch immer die Geräusche eines verbissenen Kampfes zu hören, und die
umgeworfenen Kerzen mussten irgendetwas in Brand gesetzt haben; der flackernde
Lichtschein war heller geworden, und es roch plötzlich durchdringend nach Qualm
und schmorendem Kunststoff.
    Â»Na, wenn das nicht ein Geschenk des Schicksals ist!«, krächzte er.
Seine Stimme schwankte; sie hörte den Ausdruck von großem Schmerz darin,
zugleich aber auch etwas wie einen ungläubigen Triumph. »Das Miststück selbst!
Das hätte ich ja nie zu träumen gewagt!«
    Connys Hand tastete blind über den Boden und bekam etwas Glattes und
Hartes zu fassen; die Flasche, aus der Sylvia sich vorhin eingeschenkt hatte.
Ihre Finger schlossen sich so fest darum, wie sie konnte.
    Der Junge trat sie ihr aus der Hand und schüttelte mit einem
hässlichen Lachen den Kopf. »Nicht doch. Du willst mir doch nicht den Spaß
verderben, oder?« Er unterstrich seine Frage mit einem weiteren harten Tritt
gegen ihren Oberschenkel, der sie nicht wirklich verletzen, sondern ihr einfach
nur wehtun sollte und diesen Zweck auch ganz ausgezeichnet
erfüllte. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, und

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