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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte versucht, sich
mit dem Gedanken zu trösten, dass sie so wenigstens jederzeit auf die Straße
gehen konnte, ohne sofort erkannt zu werden, und möglicherweise stimmte das
sogar. Allerdings hatte dieser Trost nur so lange angehalten, wie sie damit
beschäftigt gewesen war, sich über das Foto zu ärgern, statt die Nachrichten zu
verfolgen.
    Es gab natürlich nur dieses eine Thema: Den Vampir
vom Rhein und die tapferen Polizeibeamtin, die ihn unter Einsatz ihres
Lebens gestellt und unschädlich gemacht hatte. Darauf hatte Trausch sie
vorbereitet. Auf den Rest hätte sie selbst kommen können, hatte es jedoch nicht
getan; aus welchem Grund auch immer. Die Nachrichten bestanden aus dem üblichen
Mischmasch aus Fakten, wilden Spekulationen und dreisten Erfindungen, und
dasselbe galt für das, was sie über sich selbst gehört hatte. Conny hatte sich
immer damit getröstet, dass es in ihrem Keller keine Leichen gab, die man
ausgraben konnte, aber sie hatte auf schmerzhafte Weise erfahren müssen, wie
wenig das nutzte. Was man nicht wusste, erfand man eben, so einfach war das.
Sie war trotz allem glimpflich davongekommen – noch war sie die Heldin der
Stunde. Aber sie hatte wahrlich genug Erfahrung mit diesem Metier, um zu
wissen, dass das nicht zwingend so bleiben musste. Schließlich hatte sie es
aufgegeben, den Fernseher ausgeschaltet und die Fernbedienung in der
Nachttischschublade versenkt, mit dem festen Vorsatz, sie nicht wieder
herauszuholen.
    Â»Ich sehe, Sie haben es«, seufzte Trausch. Sie näherten sich einer
weiteren Ampel, und Conny schloss im Stillen eine Wette mit sich selbst ab, ob
er es noch in der Gelbphase schaffen oder einfach das Rotlicht überfahren
würde. Er tat nichts von beidem, sondern sah nur noch einmal kurz in den
Spiegel und tippte dann auf die Bremse. Der Wagen wurde langsamer und bewegte
sich jetzt wieder um zehn Prozent unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit,
was Trauschs normaler Fahrweise entsprach. Vielleicht hatten sie ja doch noch
eine Chance, das Präsidium lebend zu erreichen.
    Â»Ich habe Sie allerdings nicht abgeholt, damit wir gemeinsam auf die
Presse schimpfen können«, fuhr er in verändertem Ton fort. »Auch wenn es Spaß
macht.«
    Â»Warum dann?«
    Â»Ich dachte mir, es wäre vielleicht nicht das Dümmste, Ihnen vorher
ein kleines Briefing zu geben«, antwortete er. »Wir haben eine Menge über
Aisler herausgefunden, und sie kennen ja Eichholz … er hat bestimmt keine Lust,
Ihnen alles noch einmal zu erklären.«
    Â»Dann schießen Sie los«, sagte Conny.
    Â»Zuerst die guten oder die schlechten Neuigkeiten?«
    Â»Gibt es denn gute?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es im
Zusammenhang mit dem toten Serienkiller irgendetwas Positives zu berichten gab,
aber Trausch nickte.
    Â»Die allerbeste ist, er ist tot«, sagte er, schickte jedoch sofort
ein angedeutetes entschuldigendes Lächeln hinterher und hielt sie mit einem
knappen Kopfschütteln davon ab, etwas zu sagen. »Und wir haben ganz eindeutig
den Richtigen erwischt. In diesem Verschlag im Trash waren Kleidungsstücke, Blut- und DNA -Spuren von
mindestens sechs seiner Opfer und genug Beweise, um ihm auch noch das Attentat
auf Kennedy anhängen zu können, wenn wir es darauf anlegten.«
    Â»Und was soll daran gut sein?«, fragte sie.
    Â»Zunächst einmal die Tatsache, dass es vorbei ist«, antwortete
Trausch. »Dass er nicht mehr weitermachen kann. Und so ganz nebenbei der
Umstand, dass Sie aufhören können, sich selbst zu zerfleischen, Conny.«
    Â»Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich das …?«
    Â»Vielleicht, weil ich nicht blind bin«, unterbrach sie Trausch.
»Außerdem kenne ich das Gefühl.«
    Â»Was für ein Gefühl?«
    Er zögerte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht änderte sich nicht, aber
sie spürte, wie schwer es ihm fiel, zu antworten. »Einen Menschen getötet zu
haben«, sagte er schließlich.
    Conny war überrascht. »Sie haben …?«
    Â»Vor fast zwanzig Jahren, ja«, sagte er leise. »Ich war damals noch
Streifenpolizist. Ein Routineeinsatz. Eine ganz normale Familienstreitigkeit.
Irgend so ein Kerl hatte seine Frau verprügelt und war gerade dabei, seine
Wohnung in Trümmer zu legen und sich auch noch an den Kindern zu vergreifen.
Wir wollten nur schlichten, aber plötzlich hatte er eine

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