Unheil
sterben müssen.«
»Beinahe jeder muss irgendwann sterben«, antwortete Vlad. »Ich traue
den Fähigkeiten deiner Kollegen nicht. Dir schon. Deswegen habe ich dich
ausgesucht.«
»Zu viel der Ehre«, antwortete Conny spöttisch. »Und womit habe ich
das verdient? Ich kann mich nicht erinnern, Sie um Ihre Hilfe gebeten zu
haben.«
»In gewissem Sinne schon«, antwortete Vlad. »Irgendwie könnte man
sagen, dass du mich gerufen hast ⦠auch wenn du es vermutlich selbst nicht
weiÃt.«
 »Und womit?«, fuhr sie fort.
»Habe ich vielleicht nur was Falsches gegessen?« Wieder machte sie eine â noch
zornigere â Bewegung, als er antworten wollte. »Gut, dann anders: Was muss ich
tun, um Sie wieder loszuwerden? Ein kräftiges Abführmittel nehmen?«
»Es passt nicht zu dir, ordinär zu werden«, sagte Vlad sanft.
»Es passt auch nicht zu mir, Gespenster zu sehen«, versetzte Conny
aufgebracht. »Und eigentlich passt es auch nicht zu mir, mich mit einer
Illusion zu unterhalten. Mal sehen â vielleicht kann ich ja wenigstens dagegen
etwas tun.«
Sie fuhr herum, ging zum Fenster und riss die Gardinen mit einem so
plötzlichen Ruck auf, dass sie unter dem unerwarteten Ansturm des hellen
Sonnenlichts nicht nur blinzelte, sondern schützend die Hand über das Gesicht
hob.
Als sie sich umdrehte, war der Stuhl neben der offen stehenden
Durchreiche leer.
Kapitel 8
Sie musste
etliche Stunden geschlafen haben, denn das Zimmer war nicht mehr von Tageslicht
erfüllt, sondern vom staubigen Zwielicht der hereinbrechenden Dunkelheit. Sie
fühlte sich einigermaÃen erfrischt, aber schmutzig und â wortwörtlich â
zerknittert. Sie hatte sich weder die Mühe gemacht, die Schlafcouch
aufzuklappen, noch sich auszuziehen, sondern war in einer unbequemen, halb
sitzenden Haltung eingenickt, und entsprechend schmerzten nicht nur ihr Rücken
und ihre Nackenmuskeln. Sie stank nach kaltem Schweià und hatte â viel
schlimmer noch â den typischen Krankenhausgeruch in der Nase.
Benommen richtete sie sich auf, rieb sich den schmerzenden Nacken
und blinzelte aus verklebten Augen in die Runde. Irgendwo flackerte ein rotes
Licht, das sie sich nicht erklären konnte, aber sie war auch noch zu träge, um
den Gedanken weiterzuverfolgen, und der Stuhl unter der Durchreiche war leer.
Sie stand auf, machte einen vorsichtigen, tapsenden Schritt und blieb sofort
wieder stehen, als ihr Kreislauf gegen die abrupte Bewegung protestierte. Sie
war wirklich nicht besonders gut in Form.
Vielleicht würde eine Dusche helfen.
Zumindest gegen den Geruch.
Das rote Licht flackerte weiter, und sie identifizierte es als die
Anzeige des Anrufbeantworters. Das rote Flackern erinnerte sie wieder an ihren
unheimlichen Besucher und daran, was er gesagt hatte, und zumindest ein (gar
nicht einmal so kleiner) Teil von ihr wollte auch unverzüglich hingehen und
seinem Rat folgen.
Aber natürlich tat sie es schon allein deshalb nicht.
Nebenbei und seltsam genug â sie konnte sich gar nicht erinnern, das
Telefon wieder eingeschaltet zu haben, nachdem Trausch es vom Ladegerät
genommen hatte.
Wie es aussah, konnte sie sich an so manches nicht mehr richtig
erinnern, im Gegenzug aber auch an einige Dinge, die offensichtlich nie
passiert waren.
Sie schälte sich aus ihren Kleidern, stellte sich unter die Dusche
und genoss mindestens fünf Minuten lang den dampfenden heiÃen Wasserstrahl, der
nicht nur den eingetrockneten Schweià und Schmutz und den Krankenhausgeruch
abwusch, sondern auch ihre Lebensgeister weckte; wenn auch nur sehr langsam ⦠was
ihr im Moment allerdings nur recht war. Sie hatte es nicht eilig. Auf sie
wartete kein Untersuchungstermin, kein Gespräch mit einem Arzt und keine
weitere Auseinandersetzung mit Schwester Drachenzahn, nicht einmal ein
ungenieÃbares Abendessen.
SchlieÃlich büÃte auch das heiÃe Wasser seine Magie ein, und sie
trat dampfend und auf schon unangenehme Art wach aus der Dusche heraus und
angelte nach ihrem Bademantel, führte die Bewegung jedoch nicht zu Ende, als
ihr Blick auf ihr Bein fiel. Der Verband an ihrem Arm war wasserdicht, das
hatte ihr Schwester Drachenzahn gleich nach ihrem Erwachen aus der Narkose
mitgeteilt, aber für den Verband an ihrem Bein galt das ganz offensichtlich
nicht. Vorsichtig stellte sie das Bein auf den Badewannenrand, wickelte
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