Unheil ueber Oxford
kurzfristig ein neues Mitglied für Gremium und Komitee?«
»Wir suchen weniger ein neues Mitglied als vielmehr einen Ersatz. Hast du nicht von der Sache mit Chris Townsend gelesen?«
Kate musste einen Moment nachdenken, dann dämmerte es ihr. »Der vom Tower of Grace gefallen ist?«
»Genau. War das nicht schrecklich? Ein furchtbarer Unfall. Er war Haushaltsbeauftragter im Bartlemas. Der Workshop war seine Idee. Er und der Quästor hatten überlegt, wie man das College das ganze Jahr über Gewinn bringend nutzen könnte. Quästor und Kämmerer sollten sich gemeinsam um Unterbringung und Verpflegung kümmern, aber der Kämmerer macht drei Wochen Ferien auf irgendwelchen griechischen Inseln, und jetzt, wo Chris nicht mehr organisiert, brauchen wir dringend zusätzliche Hilfe …«
Kate stellte sich vor, wie es wäre, wenn Emma selbst die Organisation einer vierzehntägigen Veranstaltung mit über zweihundert Leuten übernehmen würde, und bekam eine Gänsehaut.
»Bist du eigentlich sicher, dass es ein Unfall war?«
»Klar! Was sonst? Chris war nicht der Typ für Selbstmord, wenn du das meinst.«
»Ich habe bloß keine Lust, je wieder mit verdächtigen Todesursachen zu tun zu haben.«
»Ganz ehrlich, Kate – bei diesem Unfall gibt es absolut nichts Verdächtiges. Er hat den Weg für die Tour überprüft, die wir mit den Studenten machen wollen. Wahrscheinlich ist er ausgerutscht oder so. Das ist zwar tragisch, aber solche Dinge passieren eben. Er war ein wunderbarer Mensch. Jeder mochte ihn. Es ist für uns alle noch immer unfassbar.«
Und du versuchst mir ein bisschen zu überzeugend zu wirken, dachte Kate. Aber der Job war genau das, wonach sie gesucht hatte, und wenn das Wetter stabil blieb, konnte man sicher die eine oder andere Seminarstunde draußen auf dem Rasen verbringen und in Gesellschaft attraktiver Menschen ein kühles Glas Weißwein trinken.
»Montagmorgen um neun bin ich im Bartlemas«, sagte sie.
»Ich muss erst noch die Kinder in den Hort bringen«, wandte Emma ein. »Sagen wir lieber halb zehn.«
»Gut. Bis dann. Tschüss!«
Kate ging in den Garten, um das Buch zu holen, das sie sich unter die Nase gehalten hatte, um so zu tun, als würde sie lesen. Auch ihre Kuschelkissen sammelte sie ein. Ein Kopf erschien über dem Zaun, der ihr Grundstück von dem Matschfeld hinter Nummer 12 trennte.
»Hallo Kate«, sagte Harley.
Kate merkte sofort, dass der Junge verzweifelt um Hilfe bettelte. Harley war ungefähr so geschickt im Ausdrücken von Gefühlen wie sie selbst.
»Ich glaube, ich habe noch Cola im Kühlschrank«, sagte sie einladend. »Und in der Kühltruhe ist noch eine Schachtel Magnums. Hast du Lust, rüberzukommen?«
»Kann schon sein«, erwiderte Harley.
»Was ist los?«, erkundigte sie sich angelegentlich, als Harley es sich mit einer Cola, einem Magnum und einer Tüte Chips, die sie hinten im Küchenschrank gefunden hatte, am Küchentisch bequem gemacht hatte.
»Es ist wegen Dave«, sagte er.
Welcher von Harleys kleinkriminellen Freunden war das noch?, überlegte sie, ehe ihr einfiel, dass es sich bei Dave um Harleys Hund handelte. Wie Harley selbst war er nach dem Lieblingsmotorrad von Harleys Vater benannt worden.
»Er ist doch nicht krank, oder?« Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie Dave längere Zeit nicht gesehen hatte.
»Jace mag keine Hunde«, sagte Harley.
»Jace?«
»Mums neuer Freund.«
Seit Harleys Vater Trevor nach einigen lautstarken Ehekrächen ausgezogen war, hatte Tracey, die Mutter, zwei oder drei neue Freunde ins Haus gebracht. Wahrscheinlich gehörte das Haus ihr, überlegte Kate. So konnte sie nach der Trennung in der ehelichen Wohnung bleiben.
»Es ist allerdings wirklich schwierig, Dave nicht zu mögen.«
»Jace behauptet, er wäre gefährlich.«
Von der Spitze seiner langen Nase, über den fülligen, mit dichtem, fuchsrotem Teddybärenfell bedeckten Körper bis hin zu seinem ewig wedelnden Schwanz war Dave die Sanftmut in Person.
»Wieso das denn?«
»Als wir ihn geholt haben, hat man uns gesagt, er wäre ein Schäferhundmischling.«
»Mag ja sein, aber einer, den man mit einem ganz besonders frommen Schaf gekreuzt hat«, gab Kate zu bedenken.
»So dämlich ist er auch wieder nicht!«, rief Harley. »Er kann richtig scharf sein, wenn er will. Er will nur eben nicht.«
»Das einzig annähernd Scharfe an ihm ist, wenn er den Vollmond anjault«, erklärte Kate. »Dieser Jace spinnt, wenn er sich davon beeindrucken
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