Unheil ueber Oxford
befand, roch es nach aromatischen Kräutern und Lavendelblüten statt nach Dieselqualm. Vögel zwitscherten melancholische Herbstgesänge. Sicher krabbelten und krochen im Verborgenen eine Menge kleiner Tiere und vielbeiniger Insekten. Blätter, noch nicht herbstlich vergoldet, wisperten in der Morgenbrise.
»Wirklich klasse. Lassen wir die Kunden hier rein?«, erkundigte sich Kate.
»Kunden! Glaubst du, du könntest dich der immensen Anstrengung unterziehen, zu lernen, sie Studenten zu nennen?«
»Entschuldigung. Ich werde mich bemühen«, sagte Kate, die an ihren Gehaltsscheck dachte. »Also: Dürfen die Studenten in den Dozentengarten?«
»Normalerweise nicht, es sei denn, sie werden von einem der Tutoren begleitet.«
Emmas kurze, rundliche Gestalt steckte in einem übergroßen, grünen T-Shirt und einem beigen Kräuselrock. In ihren vernünftig flachen Ledersandalen schritt sie kräftig aus. Ihr von einer Freundin kostenlos geschnittenes, braunes Haar war lockig und zeigte nicht die geringste Spur künstlicher Haarfarbe. Kate hoffte, dass ihre Jeans, die weiße Batistbluse und die auffällig roten Plastikohrringe von den Veranstaltern von »Geschlecht und Gattung« als angemessen befunden wurden. Sie zupfte sich ein Blättchen von einer üppigen Kletterpflanze aus dem kurz geschnittenen Haar, ehe sie vorsichtig nachhakte: »Gelte ich als Tutor?«
»Ich denke schon.« Der Pfad führte durch einen kleinen Hain. Sonnenlicht flirrte durch hübsch geformte Blätter. »Wenn wir über die Brücke und dann nach rechts gehen, kommen wir zur Kapelle. Dort gibt es eine hübsche kleine Versuchung, die du dir unbedingt ansehen solltest.«
Gerade wollte Kate eine schnoddrige Bemerkung über hübsche Versuchungen loslassen, da wurde sie zu ihrem Glück von einer Stimme abgelenkt, die von der anderen Seite einer nahe gelegenen Hecke zu ihnen herüberdrang.
»Hier müsste etwas Helles mit fedrigen Blättern hin, finden Sie nicht, Mr Evans?« Die Stimme war weiblich, mit bemerkenswert deutlicher Aussprache. »Was würden Sie vorschlagen?«
»Mir persönlich würden ein bisschen Rasen und ein paar einjährige Pflanzen gefallen«, lautete die Antwort einer männlichen, etwas älter wirkenden Stimme. »Grünpflanzen sind zwar schön, aber die Leute wollen im Frühling und Sommer lieber Farbe sehen. Eben Blumen. Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir einjährige Pflanzen züchten, hätte er uns keine Setzschalen gegeben, oder?«
»Was meinen Sie, Briony?«, fragte die herrische Frauenstimme. »Sie stimmen mir doch zu, nicht wahr?«
»Tue ich das? Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr so recht, was ich denke.«
»Wie wäre es mit Petunien?« Das war wieder die Männerstimme.
»Ringelblumen, Elfenspiegel, Mohn«, fiel die Stimme namens Briony ein.
»Ich könnte sie aus Samen ziehen, im Gewächshaus überwintern lassen und im kommenden April auspflanzen«, fuhr Mr Evans fort. »Wir könnten zum Beispiel ein Beet in den Farben des Colleges anlegen. Den Leuten würde es sicher gefallen.«
»Was meinen Sie, Briony?«
»Das ist mir ziemlich egal.«
Ein junger Mann mit einer Schubkarre voller kleiner Grünpflanzen in Plastiktöpfen und dicker schwarzer Säcke kreuzte Emmas und Kates Weg und verschwand hinter einer Wand aus Pflanzen.
»Mr Evans! Wo will dieser Junge hin? Was macht er da?«
»Barry!«, rief Dave Evans. »Was machst du mit dem Zeug da?«
»Genau das, was Sie gesagt haben, Mr Evans. Ich bringe es zum M …«
»Gut mein Junge. Mach weiter.«
»Und?«, fragte die Frauenstimme.
»Er bringt die Sachen ins Gewächshaus«, erklärte Dave Evans. »Ich habe Stecklinge von den empfindlichen Pflanzen gezogen, falls wir einen harten Winter bekommen. In den Säcken sind welke Blätter, die später als Mulch dienen sollen.«
»Spielt das irgendeine Rolle?«, fragte Briony.
»Sie müssen sich ein bisschen am Riemen reißen, Briony. Geben Sie sich Mühe. Diese Apathie hilft Ihnen nicht weiter.«
»Komm weiter!«, zischte Emma. »Wir wollen doch nicht beim Lauschen erwischt werden!«
Kate, der es noch nie etwas ausgemacht hatte, den Gesprächen anderer Leute zuzuhören, spitzte weiter die Ohren.
»Wer war das?«, fragte sie, nachdem Emma sie weitergezerrt und sie ein zweites rustikales Tor passiert hatten. Hinter ihnen fuhr der immer noch unsichtbare Gärtner mit seiner Litanei bunter Blumen fort: »Geranien, Lobelien. Wir könnten auch ein Beet mit Stauden anlegen. Stockrosen. Rittersporn.«
»Die jüngere Frau ist
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