Unheil ueber Oxford
Neugier gewann die Oberhand, obwohl ihr bewusst war, wie viel Ärger sie sich damit in der Vergangenheit eingehandelt hatte. Doch jetzt konnte sie nicht mehr anders. Sie riss die Notiz ab und steckte sie in die Tasche.
Die Frage war, an wen sich die Warnung richtete. Wie lange hatte sie schon in diesem Ordner gelegen? Betraf sie Christopher Townsend oder gar sie selbst? Und um was ging es bei dieser Rechnung? Soweit Kate erkennen konnte, hatte sie nichts mit der Druckerei zu tun, sondern eher mit Baumaterial.
»Haben Sie eine Ahnung, was das hier ist?«, erkundigte sie sich bei Sadie, die kurze Zeit später eintraf. Dabei reichte sie ihr die Rechnung. Von der Notiz sagte sie nichts.
»Was? Die sollte aber nicht in diesem Ordner sein!« Sadie riss ihr das Papier aus der Hand. »Wieso kümmern Sie sich um Rechnungen?«, fauchte sie. »Damit haben Sie nichts zu tun!«
»Ich wollte mich über die Kostenvoranschläge der Druckereien informieren«, protestierte Kate. »Ich bin beim Lesen darüber gestolpert. Was weiß denn ich warum im Ordner für Korrespondenz eine Rechnung abgeheftet ist.«
Sadie hatte die Rechnung eilig so gefaltet, dass man sie nicht mehr lesen konnte. »Wahrscheinlich ist es wirklich nicht Ihre Schuld«, gab sie zu. »Chris hatte die Angewohnheit, einen geöffneten Ordner nicht wegzulegen, wenn er telefonierte. Brauchte er im Verlauf des Gesprächs dann ein Dokument, zog er es heraus und legte es vor sich auf den Ordner. Anschließend schloss er den Ordner und stellte ihn an seinen Platz. Manchmal suchten wir wochenlang nach wichtigen Unterlagen. Wahrscheinlich war es in diesem Fall ähnlich.«
»Schon klar«, sagte Kate und wunderte sich, dass Sadie derart bemüht um eine Erklärung war. »Nun ja, jetzt haben Sie Ihre Rechnung ja wieder. Ich werde in Zukunft die Augen offen halten, falls mir so etwas noch einmal begegnet, okay?«
»Ich hoffe, es kommt nicht allzu oft vor«, sagte Sadie knapp. »Sie kümmern sich jetzt besser um die Sachen, die bei der Druckerei liegen. Wir brauchen die Unterlagen rechtzeitig zurück, um die Begrüßungsmappen zusammenzustellen.«
Und dann schenkte Sadie ihr ein viel zu freundliches Lächeln, verließ das Büro und nahm die Rechnung mit.
Trotzdem komisch, dachte Kate. Aus dem Kopf versuchte sie, die Einzelheiten der Rechnung in ihrem Notizbuch festzuhalten. Wo mochte Sadie das Papier hingebracht haben? Kate gewann zunehmend den Eindruck, dass das wahre Geschäft der Quästur des Bartlemas Colleges außerhalb der Öffentlichkeit stattfand, in einem Kellerraum voller Verschwörer.
Neugier ist der Katze Tod. Nachdem Sadie gegangen war, nahm Kate den Zettel aus der Tasche und begutachtete ihn genauer. Natürlich konnte es sich einfach nur um den dummen Witz eines Kollegen handeln, einen Hinweis vielleicht, nicht den Gesprächen anderer Leute zu lauschen. Aber der Zettel hatte in Chris’ Ordner gelegen. Und Chris war tot – nur der Grund dafür war noch nicht klar. Bei dem Gedanken kroch Kate ein unangenehmes Gefühl den Rücken hinauf.
Emma war am Telefon. Eines ihrer Kinder hatte Hautausschlag bekommen, und die Hortleiterin hatte sich geweigert, es am Vormittagsprogramm teilnehmen zu lassen. Emma hatte zwar argumentiert, dass der Ausschlag vermutlich auf die Heizungsluft oder etwas, das der Kleine gegessen hatte, zurückzuführen wäre, doch die Pädagogin war hart geblieben, und nun musste Emma zu Hause bleiben und das Kind hüten, bis die Pickel verschwunden waren. Sie klang, als wäre sie fix und fertig. Kate hörte im Hintergrund das Baby brüllen und den weinerlichen Dauerton, den gelangweilte Kinder von sich zu geben pflegen.
»Ich wollte dir erklären, was genau geplant ist und in welcher Form du daran beteiligt bist«, sagte Emma.
»Das würde mir sehr helfen«, bestätigte Kate. Emma klang eigentlich immer tüchtig, doch aus Erfahrung wusste Kate, dass kurz vor dem Endspurt wahrscheinlich wichtige Papiere fehlten und Kate hektisch würde improvisieren müssen, damit die Veranstaltung nicht endgültig scheiterte.
»Die ersten Studenten trudeln bald ein – du solltest dich also mit dem Programm vertraut machen. Auch um die Begrüßungsmappen solltest du dich kümmern, die bei ihrer Ankunft verteilt werden. Oh, und die Einschreiblisten der Teilnehmer sollten auf dem neuesten Stand sein.«
»Ist gut, Emma«, sagte Kate und ließ die Anweisungen über sich hinwegrauschen.
»Du solltest dich auch mit der Druckerei ins Benehmen setzen«, fuhr Emma
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