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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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drängten sich Menschen dicht an dicht. Sadie wurde von einem Mann in gelbem Tweed, mit spärlichem, weißem Haar und einem krebsroten Gesicht aufgefordert, Platz zu machen.
    »Wer ist denn das?«, raunte sie Dr. Beeton zu und zeigte nicht sehr ladylike mit dem Finger auf den Mann.
    »Steven Charleston, Buchhalter im College«, war die Antwort.
    Zwischenzeitlich wurde Charleston selbst von einem Mann um die vierzig bedrängt, dessen sonnengebleichtes, braunes Haar und gebräuntes Gesicht ganz und gar nicht zu seinem dunklen Anzug nebst Krawatte passen wollten.
    »Robert Grailing, Quästor«, wurde Kate unaufgefordert von links informiert. Kate nickte dankbar und setzte ihre Beobachtungen fort. Sadie flüsterte eifrig auf den zuletzt Gekommenen ein. Wahrscheinlich erklärte sie ihm, dass nicht Platz genug für beide war, denn der Mann runzelte die Stirn. Sadies Blick wanderte zu Kate hinüber. Ihre Augen trafen sich einen winzigen Moment, ehe Sadie sofort wieder wegsah. Irgendwie fand schließlich doch die gesamte Trauergemeinde Platz, und die Feier begann.
    Kates Nachbarin schien gern Kirchenlieder zu singen. Ihre Stimme war laut, klar und gut verständlich. Leider sang sie falsch, und mit jeder Strophe ein wenig schräger. Wahrscheinlich bemerkte sie, dass Kate ihr gebannt zuhörte, denn sie wandte sich leicht nach rechts und lächelte Kate zu, als wisse sie, wie sehr sie in der Tonart danebenlag. Es ist ihr egal, dachte Kate. Ihr scheint es völlig gleich zu sein, was für einen Eindruck sie auf andere Menschen macht. Dr. Beeton gefiel ihr. Trotz ihres akademischen Gehabes war sie eine Frau ganz nach Kates Geschmack.
    Im Anschluss an das Lied hielt der Rektor, Aidan Flint, eine Rede. Er sprach über den Christopher Townsend, den er gekannt hatte. Obwohl Kate sich durchaus vorstellen konnte, dass ein attraktiver Mann wie Christopher auch ein wunderbarer Mensch gewesen sein mochte, glaubte sie nicht recht, dass er so perfekt war, wie der Rektor ihn darstellte. Da der Redner überdies jegliche Frage nach dem Grund für Christophers unglückseligen Sturz elegant umschiffte, fühlte Kate sich unbefriedigt. Dabei wusste sie, dass ihr Gefühl jeglicher Vernunft widersprach, denn wer erwähnte in einer Trauerfeier schon nackte Tatsachen? Doch als sie ihre neuen Bekannten betrachtete – Sadie, Briony Townsend, Annette Paige, ja, sogar Honor Flint und Robert Grailing –, wurde ihr klar, dass sie alle eine Rolle spielten und hinter einer schicklichen Fassade eine Menge Wissen über Christopher Townsend verbargen. Die einzige Person, die sich völlig natürlich verhielt, war Dr. Beeton, die sich in ihre Bank zurücklehnte und tonlos durch die Zähne pfiff.

    Als Kate sich nach der Trauerfeier mit den geladenen Gästen auf den Weg zum Lamb Room machte, wo man vermutlich nichtssagenden Wein und Schnittchen aus dem Supermarkt kredenzen würde, fiel ihr die Rechnung wieder ein, die Sadie ihr so eilig weggeschnappt hatte. Ein unauffälliger Briefkopf mit einem Allerweltsnamen. Irgendetwas mit Baumaßnahmen. Außenanlagen. Ardington Außenanlagen. Oder wenigstens so ähnlich. In der Rechnung war es um eine Verkleidung gegangen. Und die Summe? Fünf Zahlen, dachte sie. Vierzehntausend Pfund? Oder vierundzwanzigtausend? Sie konzentrierte sich auf ihre Erinnerung an den weißen DIN-A4-Bogen mit dem roten Vermerk in der rechten unteren Ecke. Anderson Außenanlagen, dann kam ein Wort in Klammern. (Denton). So weit, so gut. Im Geiste las sie die Auflistung durch, doch die sagte ihr nichts. Aber die Gesamtsumme belief sich auf vierundzwanzigtausenddreihundertsiebenundzwanzig Pfund. An die Zahlen hinter dem Komma konnte sie sich nicht erinnern.
    Bei einer solchen Summe konnte man durchaus ins Grübeln kommen. Vor allem, wenn es stimmte, dass Neugier der Tod der Katze war.

    Kate hatte sich ihres Blazers entledigt und war sich mit den Fingern durch die Haare gefahren, bis sie so strubbelig abstanden, wie sie es mochte. Ihre Ohrringe blitzen im Licht, das durch hohe Fenster in den Raum drang, und ihr auffällig blaues Kleid sah durchaus nicht nach Beerdigung aus. Nach einem oder zwei Gläsern schmeckte der Wein gar nicht mehr so schlecht, und die Snacks waren zwar langweilig, verhalfen ihr aber zu einem kostenlosen Mittagessen.
    »Hallo.«
    Sie hatte nicht bemerkt, dass er zu ihr getreten war. Er stand links neben ihr und lächelte auf sie herab. Nicht sehr groß, aber groß genug, braunes Haar, Haselnussaugen, gut gewählte Krawatte und

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