Unheil ueber Oxford
ein freundliches Lächeln. Robert Grailing. Es war der Mann, der sich bei der Trauerfeier neben Sadie James gequetscht hatte. Er wirkte durchaus nicht uninteressant und war auf eine nette und zuverlässige Weise hübsch. Er trug einen dunklen, unauffälligen Anzug. Die Sonne hatte sein braunes Haar an den Spitzen aufgehellt. Mit seinen regelmäßigen Zügen sah er aus wie einer der Männer, die man am Samstagmorgen in Begleitung einer ebenso hübschen Frau im Supermarkt traf. Verheiratet, dachte Kate. Vermutlich. Ihr Lächeln wurde aufmerksamer.
»Ich habe diese gerollten Dinger hier gefunden. Die Füllung besteht aus Räucherlachs«, erzählte er ihr. »Sie sind zwar klein, aber recht lecker.« Mit diesen Worten hielt er ihr eine Platte mit Snacks entgegen. Kate bediente sich großzügig.
»Danke sehr«, sagte sie mit vollem Mund.
»Ich dachte, es würde Zeit, dass wir uns einmal kennen lernen«, fuhr er fort. »Mein Name ist Robert Grailing. Ich bin der Finanzverwalter.«
Kate versuchte ein »Ich weiß« und »Angenehm« unterzubringen, wurde aber von den Lachsröllchen in ihrem Mund daran gehindert.
»Offiziell bin ich Ihr Chef«, erklärte er weiter, »aber Ihre Einstellung erfolgte so schnell, dass wir uns bisher noch nicht haben treffen können.«
»Ja, richtig«, entfuhr es Kate ziemlich geistlos. »Nett, Sie kennen zu lernen, Mr Grailing.« Mist, wahrscheinlich hätte die Anrede »Doktor« lauten müssen. Aber woher sollte sie das wissen?
»Nennen Sie mich Rob. Das tun hier alle.« Nun, damit war dieses Problem aus der Welt. »Klappt so weit alles im Job?«
Kate, die sich ein weiteres Röllchen in den Mund gesteckt hatte, schluckte heftig. »Bestens. Chris hat alles gut dokumentiert, und es fällt mir nicht schwer, mich einzuarbeiten.«
»Gut«, sagte Rob Grailing, »Ich habe gerade überlegt, ob wir nicht …«
Kate sollte nicht mehr erfahren, was er vorhatte, denn ihr Gespräch wurde von der Ankunft des Rektors unterbrochen. Seine Frau, die ihm um mehrere Handbreit Körpergröße und locker hundert Pfund Gewicht überlegen war, bugsierte ihn in die kleine Gruppe. Außerdem hatten sie die bleiche und trotzig wirkende Briony im Schlepptau. Es muss bitter sein, auf der Trauerfeier für den eigenen, verstorbenen Ehemann von der Frau des Chefs in den Hintergrund gedrängt zu werden, dachte Kate.
»Ach, Sie haben also die Lachsröllchen gefunden«, sagte Honor Flint vorwurfsvoll zu Kate.
»Köstlich, nicht wahr?«, strahlte Kate sie an und reichte ihr die Platte mit dem letzten übrig gebliebenen Snack. Honor Flint nahm ihn und verschluckte ihn im Ganzen.
»Können wir kurz miteinander reden?«, fragte Aidan Flint Rob Grailing in der kurzen Pause. Kate verstand sehr wohl, dass man von ihr erwartete, sich in der Menge zu verkrümeln; sie kümmerte sich jedoch nicht darum. Ein Schriftsteller ist immer auf der Suche nach Material, rechtfertigte sie sich vor sich selbst. Dabei ließ sie bewusst außer Acht, dass sie historische Romane schrieb und nicht etwa Krimis, für die hier ausreichend Stoff geliefert zu werden schien.
»Uns ist zu Ohren gekommen, dass Sie für diesen Workshop noch Hilfe benötigen könnten«, begann der Rektor.
»Natürlich brauchen Sie Hilfe!«, unterbrach Honor, die nach dem Verzehr des letzten Lachsröllchens inzwischen wieder sprechen konnte. »Und unsere liebe Briony braucht ein wenig Beschäftigung in dieser für sie so schwierigen Zeit.«
»Sind Sie da so sicher?«, fragte Briony niemanden bestimmten.
»Auf keinen Fall darf sie vor sich hinbrüten«, insistierte Honor. »Eigentlich dachte ich, dass es ihr gefallen würde, Dave Evans im Garten zu helfen«, erklärte sie. »Sie hätte mich dabei unterstützen können, dem Gärtner auf die Finger zu schauen, denn ich weiß manchmal wirklich nicht, was der Mann so treibt. Allerdings hat sie offenbar im Augenblick kein Interesse an der Gärtnerei; außerdem reagierte Dave Evans recht unwirsch auf den Vorschlag, sie als Assistentin zu beschäftigen. Er behauptet, dass Barry sich als Lehrling ganz gut macht und er keine Lust habe, noch eine zweite Person einzuweisen.«
»Welche Art von Beschäftigung hatten Sie sich denn so vorgestellt?«, erkundigte sich Rob Grailing.
»Irgendwelche einfachen Aufgaben«, sagte Honor. »In der Finanzverwaltung muss es doch eine Menge Dinge geben, die sie erledigen könnte.«
»Immerhin hört man immer wieder, dass Ihre Mitarbeiter sich überfordert fühlen«, warf Aidan ein.
Kate zappelte
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