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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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prächtiges Haar hatte sie nicht bedeckt, jedoch statt des üblichen, knallroten Lippenstifts einen sanfteren, bräunlichen Ton gewählt. »Die Kapelle ist nicht sehr groß.«
    »Dann sollten wir uns sputen«, bemerkte Kate knapp und lief, dicht gefolgt von Sadie, eilig die Treppe hinunter und über den Hof. Annette blieb im Büro zurück, kämmte sich und puderte sich mit einem Wattebausch die Nase.
    »Sie machen sich anscheinend gern unbeliebt«, bemerkte Sadie, während sie über Kopfsteinpflaster und Gras galoppierten.
    »Wie? Oh, Sie sollten erst einmal sehen, wenn ich mir richtig Mühe gebe!«, rief Kate und stieß die Tür zur kühlen Dunkelheit der Kapelle auf.
    Wie mochte Briony es wohl aufnehmen, dass die Trauerfeier so nah an der Stelle stattfand, wo ihr Mann gestorben war, überlegte sie auf dem Weg am Turmaufgang vorbei. Sie warf einen kurzen Blick auf die beiden Bilder von Adam und Eva, doch heute konnte man nur zwei braune Schatten an der grauen Wand ausmachen.
    Kate ließ sich auf eine Bank unmittelbar in der Nähe der Tür gleiten, Sadie hingegen ging stolz ganz nach vorn. Sie benimmt sich, als wäre sie die Hauptleidtragende, dachte Kate.
    Sie saß in der letzten von drei strahlenförmig angeordneten Bankreihen, die genau gegenüber drei identischen Reihen auf der anderen Seite des Mittelgangs standen. Um Altar und Kanzel zu sehen, musste sie den Kopf weit nach rechts beugen, die Trauergäste ihr gegenüber konnte sie jedoch mühelos erkennen. Sadie saß mit dem Gesicht zu Kate gewandt, sodass Kate ihre Miene genau beobachten konnte.
    Sah so eine Frau aus, deren Herz gebrochen war? Wirkte so eine Frau, deren große Liebe gestorben war? Oder entbehrte der Büroklatsch jeglicher Grundlage? Einige Plätze rechts neben Sadie, am Ende der dem Altar nächsten Reihe, saß eine weitere Frau in Schwarz. Langes, blondes Haar, rundliches Gesicht, zierlich gewachsen: Das musste die Witwe sein – Briony. In ihrer Begleitung befand sich eine ältere, kräftige Frau mit grauem Haar und wettergegerbtem Gesicht, die einen abgrundhässlichen Hut und ein Kostüm trug, das aussah, als hätte es schon viele Generationen von Beerdigungen erlebt. Die Mutter der Witwe vielleicht? Nein, die Frau kam Kate irgendwie bekannt vor, und zwar im Zusammenhang mit dem College. Ach ja, es war die Frau des Rektors und begeisterte Gärtnerin Honor Flint.
    Nachdem Kate die beiden von ihrem verborgenen Standort aus genau beobachtet hatte, wandte sie sich den anderen Leuten in der Kapelle zu. Sadie hatte Recht gehabt: Es wurde schnell voll. Nachzügler würden an der Tür zum Turm stehen müssen. Inzwischen war auch der Rektor gekommen und hatte sich neben seiner Frau niedergelassen. Aidan Flint war ein unscheinbares Männlein, bleich und hellhaarig, und sah aus, als würde er sich nur selten seiner Frau gegenüber behaupten. Andererseits, überlegte Kate, wer wusste schon, was in einer solchen Ehe ablief? Die Reihen Kate gegenüber hatten sich mit der Belegschaft der Finanzabteilung gefüllt. Annette Paiges Nase glänzte noch immer. Ihr blondes Haar sträubte sich widerspenstig unter einer hellblauen Baskenmütze. Zu ihrer Linken saß John Clay in einem himbeerrosa Leinenjackett. Er ließ seine heimtückischen Augen wandern, genau wie Kate. Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke. Er grüßte spöttisch, wandte sich an Annette, sagte etwas und lächelte gehässig. Schlange, dachte Kate.
    Zu ihrer Linken entstand eine leise Unruhe. Eine zierliche Person setzte sich unmittelbar neben sie. Dunkles Haar, dunkle Augen, schlanker Körperbau und ein kleines Affengesicht, stellte Kate fest, die ihre Nachbarin verstohlen beobachtete. Dunkelrote, lange Hose, ein farblich passendendes Seiden-T-Shirt, cremefarbener Leinenblazer. Kein Make-up, aber ein sehr angenehmes, teuer duftendes Parfüm, das Kate irgendwie bekannt vorkam. Die Fremde saß mit geschürzten Lippen, die Hände fest im Schoß verschränkt, und nahm offenkundig keine Notiz von ihrer Umgebung. Es war der Duft, der Kate schließlich den Namen der Frau in Erinnerung brachte. Emma hatte sie als Dr. Beeton vorgestellt. Als sie sich über die »Verführung« unterhielten, hatte Kate sie nicht richtig sehen können, doch ihre Nase sagte ihr, dass es sich um die gleiche Person handelte.
    Immer mehr Leute quetschten sich in die Reihen. Es wurde eng. Kate fand sich zwischen einem soliden Eichenbrett auf der einen und Dr. Beeton auf der anderen Seite eingeklemmt. In der ganzen Kapelle

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