Unheil ueber Oxford
Vielleicht gibt es die eine oder andere Sache, die Ihnen Kopfzerbrechen bereitet.«
Zum Beispiel der Tod von Chris Townsend, dachte Kate. Sollte ich den etwa mit Ihnen diskutieren? Haben Sie mich deshalb zum Essen eingeladen? Doch Rob blickte sie so offen an, dass sie ihm keine weiter gehenden Motive unterstellen mochte. Die kleine Spinne krabbelte an ihrem Faden hoch und verschwand im Blattwerk des Baumes.
»Ihnen eilt ein gewisser Ruf voraus«, fuhr Rob fort.
»Das sagten Sie schon einmal. Welcher Ruf denn?«
Er lachte. »Der Ruf, Verbrechen aufzuklären. Haben Sie nicht schon einmal im Sicherheitsteam gearbeitet und den Diebstahl wertvoller Bücher aufgedeckt?«
»Na ja, ich habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet«, sagte Kate und freute sich, dass die Geschichte offenbar bekannt war. Sie hatte sich damals zu absolutem Stillschweigen verpflichten müssen und nur ihren engsten Freunden alles erzählt. Bisher hatte sie befürchtet, dass sie sich alle an ihre Weisung gehalten und nichts weitergesagt hatten. Aber was nutzte es, wenn man intelligente Taten vollbrachte und niemand davon erfuhr?
»Glauben Sie, dass im Bartlemas etwas Ähnliches vor sich geht?«, fragte sie. Der warme Blick ihres Gegenübers verführte sie zur Indiskretion.
»Ich hoffe nicht. Es wäre schlimm, wenn unser sowieso schon bescheidenes Kapital auch noch geplündert würde. Aber wenn Sie etwas in Erfahrung bringen sollten, hoffe ich, dass Sie mir umgehend Bericht erstatten.«
Er blickte so ernst drein, hatte so arglose Augen! Arme Elaine, oder wie immer seine Frau hieß! Wenn sie tatsächlich nur aus Gewohnheit zusammenblieben und kaum noch miteinander sprachen, war es vielleicht gar nicht so schlimm, wenn sie sich ab und zu trafen. Nicht, dass sie Paul etwa untreu werden wollte!
»Mir ist aufgefallen, welch gute Zuhörerin Sie sind«, sagte Rob und blickte ihr treuherzig in die Augen. »Mit einer solchen Begabung bekommt man viel erzählt. Sicher suchen die Leute gern Ihre Nähe und reden sich ihren Kummer von der Seele.« Er lächelte sie fragend an.
»Ich fürchte, im Bartlemas bin ich nicht sonderlich beliebt«, erwiderte sie. »Bisher hat sich noch niemand bemüßigt gefühlt, mir seine Geheimnisse anzuvertrauen.«
»Falls es aber doch eines Tages so weit kommt, könnten Sie mir die Gerüchte ja weitererzählen.«
Es war längst nach zwei. Kate dachte an den Berg Arbeit auf ihrem Schreibtisch.
»Das Essen mit Ihnen war wirklich nett«, sagte sie und fragte sich, warum er so erpicht darauf war, sich ihrer Sorgen und Probleme anzunehmen. Sie griff nach ihrer Handtasche.
»Dann müssen wir es unbedingt bei Gelegenheit wiederholen«, sagte Rob. Auf genau diesen Satz hatte Kate gehofft.
Als Kate an diesem Abend nach Hause kam, blinkte der Anrufbeantworter. Zwei Nachrichten warteten. Die erste war eine höfliche Anfrage von Paul Taylor, wie es ihr ginge, die andere war eine Stimme, die sie nicht kannte oder zumindest nicht erkannte.
»Neugierige Ziege!«, sagte die Stimme. Charmant! Kate erstarrte und wandte keinen Blick von dem Gerät. »Ich habe einiges von dir gehört. Wo du hingehst, ist der Tod nicht weit. Du warst da draußen und hast mich beobachtet. Hast mir nachspioniert. Wenn du auch nur einen Funken Vernunft besitzt, hältst du dich dieses Mal raus, sonst passiert etwas sehr Unangenehmes! Und das meine ich bitterernst!« Die Nachricht endete, und der Anrufbeantworter klickte und spulte sirrend das Band zurück.
Sie hörte es ein zweites Mal ab. Zuerst die sanfte, freundliche Stimme Paul Taylors, dann die andere. Kate hörte genau hin. War die Stimme männlich oder weiblich? Jedenfalls klang sie, als ob der Sprecher sie mit etwas gedämpft hätte. Allerdings hatte er nicht durch ein Taschentuch gesprochen; die Stimme war stärker verfremdet. Auch wenn die Worte an sich nichts Besonderes ausdrückten, so ließen ihr doch die kurzen, explosiv hervorgestoßenen Sätze das Mark in den Knochen gefrieren. Kate überlegte, ob sie Paul anrufen sollte. Ein nettes, tröstliches Gespräch würde ihr jetzt gut tun. Doch was hätte sie ihm sagen sollen? Jemand hat mir ein Drohbriefchen in meine Akten gelegt und mir dann eine unfreundliche Nachricht auf Band gesprochen? Wegen solch trivialer Dinge konnte sie ihn schlecht bei der Arbeit stören. Die beiden Ereignisse erschienen ihr nur so wichtig, weil zuvor jemand gewaltsam getötet worden war. Mittlerweile war Kate sich sicher: Chris Townsends Tod war kein Unfall gewesen, auch
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