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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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hatte das Gebüsch den Klang ihrer Stimmen gedämpft, sodass sie nicht sicher sein konnte, um wen es sich handelte. Allerdings hatte sie einen bestimmten Verdacht.
    Plötzlich freute sie sich darauf, mit einem normalen, offenen, freundlichen Mann zum Mittagessen zu gehen. Sie brauchte jetzt Normalität, die sie verdächtige Unterhaltungen und düstere Gedanken vergessen ließ. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass Rob Grailing ihr gefallen könnte.
    Als sie gemeinsam das College verließen, hörte sie, wie einer der Pförtner mit einem verspäteten Touristen sprach.
    »Tut mir Leid, aber im Augenblick ist das College für Besucher nicht zugänglich. Sollten Sie jedoch Lust haben, gegen halb zwei zurückzukommen, könnte ich eine Besichtigung für Sie arrangieren. Ganz zwanglos, versteht sich. Aber ich würde Ihnen Teile des Colleges zeigen, die Touristen normalerweise nicht zu Gesicht bekommen. Wie viel? Nur zwei Pfund pro Person. Ja. Bis halb zwei dann.«

    Sie saßen mit ihren Getränken und großen, vollen Tellern unter einem Baldachin aus Baumkronen an einem Tisch im Garten des Pubs. Manchmal fielen kleine Insekten auf den Tisch und ab und zu auch auf ihre Teller, doch es machte ihnen nichts aus. Sie befanden sich in jenem angenehmen Stadium einer angehenden Bekanntschaft, in dem man feststellt, wie viel man gemeinsam hat und wie leicht es fiel, miteinander zu reden. Sie bestellten mehr Mineralwasser, saßen in der warmen Sonne, nippten an ihren beschlagenen Gläsern und genossen ihre gegenseitige Gesellschaft.
    »Hier gibt es fantastische Nachspeisen«, sagte Rob Grailing. Es war bereits nach halb zwei. »Soll ich uns etwas bestellen?«
    Etwas später dachte Kate, dass sie jetzt wirklich das Gespräch auf ihre Arbeit bringen müsse; schließlich waren sie deshalb zusammen essen gegangen. »Gibt es einen bestimmten Punkt, über den Sie hinsichtlich meines Jobs mit mir sprechen wollten?«, fragte sie, während sie Apfel- und Brombeerkuchen mit Bergen köstlicher Schlagsahne verspeisten.
    Erstaunt blickte Rob sie an. »Nein. Wieso?«
    »Ich dachte, das wäre der Grund für unser Essen hier.«
    »Ehrlich gesagt sind Sie mir bei der Gedächtnisfeier für Chris aufgefallen. Ich hatte mir längst vorgenommen, Sie einmal zum Essen einzuladen. Mittagessen erschien mir dabei weniger verfänglich als Abendessen, aber ich wollte Sie gern näher kennen lernen.«
    Das flirrende Licht unter dem Baum ließ sein braunes Haar warm aussehen und verstärkte die Vieldeutigkeit seines Blicks.
    »Sind Sie nicht verheiratet?«, fragte sie brüsk und bereute die Frage sofort. Ihrer Meinung nach gestaltete sich das Leben viel einfacher, wenn man solche Dinge nicht wusste.
    »Doch«, antwortete er. Sie schwiegen. Eine kleine Spinne glitt an ihrem Seidenfaden aus dem Geäst und blieb zwischen ihnen hängen.
    »Elaine und ich leben ein ganz unterschiedliches Leben«, sagte er schließlich.
    »Und gleich werden Sie mir erzählen, dass sie Sie nicht versteht.«
    »Oh, ich glaube, wir verstehen einander allzu gut. Wir haben sehr jung geheiratet, und es gibt wenig, was wir nicht voneinander wissen.«
    »Und warum trennen Sie sich dann nicht?«
    Wenn sie getrennt lebten, wäre es doch nicht schlimm, sich ein wenig näher mit ihm zu beschäftigen, oder?
    »Wahrscheinlich aus Gewohnheit. Es ist schwierig, die Fäden zu entwirren, die ein gemeinsames Leben jahrelang zusammengewebt hat.«
    Sie hätte ihn gern gefragt, was er von ihr wollte und wie er eine mögliche Beziehung sah, falls er überhaupt eine Beziehung anstrebte – doch stattdessen saß sie da, beobachtete die kleine Spinne, die an ihrem Faden leise hin- und herschwang, und war ausnahmsweise einmal still.
    »Aber wir können uns doch sicher von Zeit zu Zeit treffen«, sagte Rob. »In aller Freundschaft.«
    Mein Gott, abgedroschener ging es kaum mehr.
    »Aber sicher«, hörte Kate sich sagen. »Ich habe übrigens zurzeit selbst auch eine Beziehung«, fügte sie hinzu. Konnte man es Beziehung nennen, wenn man sich nur dann traf, wenn die jeweilige Arbeit es gestattete, wenn man kaum etwas gemeinsam zu haben schien und wenn man sich nicht traute, ihn seinen Freunden vorzustellen? Eine tolle Beziehung!, dachte sie.
    Rob schien sich zu entspannen. »Ich könnte Ihnen im Hinblick auf Ihre Arbeit helfen«, erklärte er.
    »Brauche ich denn Hilfe?«
    »Nein. Aber manchmal ist es gut, jemanden zu haben, mit dem man seine Probleme diskutieren kann – falls Sie einmal Probleme haben sollten.

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