Unheil ueber Oxford
vorbeikommen?«
»Keine Schwierigkeiten«, antwortete Kate. »Aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn du kämst.«
Viel später fragte sie ihn: »Woran arbeitest du zurzeit? Ich habe schon hundert Mal angerufen, ohne dich je zu erreichen.«
»Ich habe für den Coroner die Verhöre nach dem Todesfall am Bartlemas College geführt. Wahrscheinlich hast du es in der Zeitung gelesen: Ein Mann ist vom Tower of Grace gestürzt.«
»Ich dachte mir schon, dass du das warst. Anhand von Annettes Beschreibung habe ich deine Schultern sofort wiedererkannt. Ich wüsste gern, ob du etwas herausbekommen hast?«
»Dachte ich mir!«
»Und?«
»Hast du den Bericht in der Zeitung nicht gelesen?«
»Schon, aber ich hatte gehofft, dass du mir mehr über schmutzige Hintergründe erzählst.«
»Du weißt, dass ich das nicht darf.«
»Spielverderber! Außerdem müsstest du doch längst damit fertig sein.«
»Jetzt arbeite ich an einem möglichen Betrugsfall.«
»Sind dafür nicht Spezialisten zuständig?«
»Sicher. Trotzdem brauchen sie Leute wie mich für die Routinearbeiten.«
»Wird dieser Fall auch im Bartlemas College recherchiert? Könnte er etwas mit Christopher Townsends Tod zu tun haben?«
»Leider darf ich dir beide Fragen nicht beantworten. Außerdem war Townsends Sturz ein Unfall. Das ist offiziell bestätigt; du brauchst also gar nicht erst zu versuchen, etwas anderes daraus zu machen.«
»Nein, Officer. Zu Befehl, Officer.«
»Warum hältst du nicht einfach den Mund und gehst schlafen? Soviel ich weiß, trudeln morgen zweihundert und ein paar zerquetschte Studenten bei euch ein. Die bedürfen doch sicher deiner gesamten Aufmerksamkeit und vieler Energie.«
»Ehrlich gesagt fühle ich mich zwar entspannt, aber durchaus nicht schläfrig.«
»Mit anderen Worten, du willst dich noch ein bisschen unterhalten.« Er klang, als würde er sich in sein Schicksal ergeben.
»Ich wollte dir von einem sehr netten Mittagessen erzählen, zu dem mich der Quästor des Bartlemas eingeladen hat.«
»Aha?«
»Ich dachte, er wollte mit mir über meine Arbeit reden, aber ich glaube, er versuchte zu flirten.«
»Hast du die Absicht, mich eifersüchtig zu machen?«
»Anscheinend ohne Erfolg. Aber da war noch etwas. Christopher Townsend.«
»O nein! Wie ich schon sagte – die Sache ist erledigt. Endgültig.«
»Hör mir einfach nur zu. Hatte ich dir erzählt, dass ich ihn unmittelbar vor seinem Tod gesehen habe? Er ist mir auf die Füße getreten, als ich vor dem Schreibwarenladen an der Ampel in der High Street stand.«
»Und es war ganz sicher der gleiche Tag?«
»Ich habe an diesem Tag in dem Geschäft ein paar Dinge gekauft und inzwischen den Kassenbeleg überprüft. Es war nicht nur der gleiche Tag, sondern weniger als eine halbe Stunde vor seinem Tod.«
»Ja und?«
»Er war völlig normal. Heiter und freundlich. Er wirkte überhaupt nicht so düster oder introvertiert wie jemand, der sich kurze Zeit später von einem Turm stürzt. Und er war vor allen Dingen keinesfalls betrunken.«
»Woher willst du das wissen?«
»Er ist mir nah genug gekommen, dass ich einen Geruch nach Bier oder Pfefferminz auf jeden Fall wahrgenommen hätte. Dem war aber nicht so.«
»Nun, das passt durchaus zu den Untersuchungsergebnissen.« ‘
»Aber nicht zu den Zeitungsberichten. Jemand muss das Gerücht verbreitet haben, dass er betrunken war, glaubst du nicht?«
»Wahrscheinlich war es die bequemste Lösung, und die Leute wollten es glauben. Aber wenn du tatsächlich nur ein paar Meter vom Unglücksort entfernt warst, und obendrein noch zur Zeit des Sturzes – hast du nichts bemerkt? Ich hätte dir eigentlich zugetraut, dass du mir jetzt zehn Verdächtige für einen nicht erfolgten Mord präsentierst.«
»Es waren zu viele Leute da. Ganze Horden von Touristen, eine italienische Schulklasse und ein paar eilige Einheimische. Und fast alle sind mir auf die Füße getreten.«
»Aber du hast nichts Außergewöhnliches bemerkt? Kein bekanntes Gesicht gesehen?«
»Damals kannte ich die meisten, die damit zu tun haben könnten, doch noch gar nicht! Ausgenommen Emma, aber an der ist wirklich nichts Außergewöhnliches.«
»Hast du einmal darüber nachgedacht, dass vielleicht jemand dich erkannt hat? Was hattest du an? Eines deiner unverschämten T-Shirts?«
»Nein, ein durchaus geschmackvolles Kleid.«
»Ein Hingucker, wie ich dich kenne. An deiner Stelle würde ich es während der nächsten Wochen im Schrank lassen. Nur, falls
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