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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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erfordert das Genre Kriminalroman wegen seiner surrealen Eigenart ein besonders farbiges Vokabular. Hier sind gerade wir Frauen gefordert, unsere eigene Sprache einzubringen, unsere spezifischen Worte, wenn Sie so wollen, um den Effekt des Geschriebenen zu steigern. Immerhin geht es um den Tod. Daher sollte die Sprache mitfühlend, aber auch ausdrucksstark sein. Sozusagen ein Sturmangriff auf die Gefühle.«
    Tod und Sprache, dachte Kate. Was redet sie da eigentlich? Tod – das ist ein junger, gut aussehender Mann, der über die Brüstung eines Turmes fällt und zerschmettert auf dem Boden landet. Welcher Sprache bedarf es, um ein solches Geschehen zu beschreiben? Nichts als ungeschnörkelter Worte. Keine Effekthascherei der Welt würde die Sache realer, geschweige denn akzeptabler machen.
    »Wenn wir schon über Kriminalromane sprechen, sollten wir dann nicht lieber zunächst das Genre definieren?«, fragte Sharen Cobb. »Und wo sollen wir in diesem Fall beginnen? Bei Wilkie Collins? Bei Poe? Oder sollten wir uns gleich dem so genannten Goldenen Zeitalter zwischen den beiden Weltkriegen zuwenden?«
    »Eine gute Frage«, nickte Angela Devitt, die ganz und gar nicht erbaut darüber schien, ihren rhetorischen Fluss derart unterbrochen zu sehen. »Vielleicht können wir die Definition des Genres gemeinsam erarbeiten. Wer möchte anfangen? Curtis?«
    Wenn ich in der Lage wäre, mein Genre zu definieren, dachte Kate, dann könnte ich möglicherweise auch mein Verbrechen lösen. Oder sollte es etwa hier so sein wie auch sonst so häufig im Leben: Je genauer man die Theorie kennt, desto schlechter ist es um die Praxis bestellt? Das Ganze erinnert an eines dieser von Psychologen erfundenen Spielchen, die beweisen sollen, dass mehr Wissen zu weniger effektivem Handeln führt.
    »Zunächst sollten wir vielleicht den Dualismus definieren, der jedem Kriminalroman eigen ist. Nur so können wir ihm wirklich auf den Grund gehen«, schlug Curtis vor.
    Sollten wir das tun?, überlegte Kate. Ich glaube nicht. Lieber sollten wir uns um die kleinen und großen Verbrechen kümmern, die in diesem ehrwürdigen Gemäuer begangen werden. Und darum, wer sie begeht. Ich möchte wissen, warum der oder die Betreffenden mich, ausgerechnet mich, als Bedrohung empfinden. Jemand scheint der Ansicht zu sein, dass ich drauf und dran bin, ihn – oder vielmehr sie, denn wahrscheinlich sind es mehrere – vor aller Öffentlichkeit bloßzustellen.
    »Ich glaube eigentlich, dass wir hier nicht von Dualismus sprechen sollten, sondern eher von paradigmatischem Pluralismus«, sagte Sharen. »Außerdem sollten wir die eigentliche Erzählung vom Thema trennen, oder ist jemand anderer Ansicht? Ich möchte meine Art der Interpretation niemandem aufdrängen.«
    Kate nickte enthusiastisch, merkte aber noch rechtzeitig, dass sie einem semiotischen Irrtum erlegen war, und wechselte rasch zu Kopfschütteln.
    »Wahrscheinlich weiß jeder von uns«, sagte Curtis, »dass die nicht erzählte Geschichte – die Geschichte der Ereignisse in der Vergangenheit – die eigentlich wahre und wichtige ist. Die in der Gegenwart angesiedelte Geschichte, wie das Verbrechen aufgedeckt wird, ist im Grund insignifikant.«
    Ganz und gar nicht, dachte Kate. Die gegenwärtige Geschichte ist alles andere als insignifikant. Sie hinterlässt überall Spuren und Drohbriefchen. Aber wenn ich die Botschaften nicht richtig interpretiere und den anderen, den unsichtbaren, aber immens wichtigen anderen, zu einer Lösung verhelfe, könnte ich durchaus zu einem Teil der Geschichte in der Vergangenheit werden.

KAPITEL 11
    … nullus daemon suapte natura mas est, vel foemina. Compositorum enim sunt huiusmodi passiones: corpora verum daemonum simplica sunt ductu, flexuque; facilia, ad omnemque, configurationem naturaliter apta.
    Michel Psellus, De Daemonibus

    D
    u siehst aus , als wäre dir kalt «, sagt Zophiel . » Warum kommst du nicht hier zum Feuer? «
    Es ist kein Feuer , denkt Christopher , nur ein flammendes Schwert . Aber es ist sicher wärmer .
    » Setz dich und fahre mit deiner Geschichte fort .«

    Ich lernte Briony Shorter während meiner ersten Wochen in Oxford kennen. Ihre Eltern wohnten in einem üppig ausgestatteten Haus in einem Dorf etwa fünfzehn Kilometer außerhalb von Oxford, Briony selbst lebte während der Woche in einer Studentenwohnung in einem hübschen Haus im Norden der Stadt. Sie war damals Anfang zwanzig und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung.
    Briony war ein

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