Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
Bartlemas gegönnt hat. Und dann die herrliche Aussicht! Er konnte uns jedes einzelne Gebäude benennen.«
    »Ich muss zugeben, es ist leichter, sie wiederzuerkennen, wenn man die Augen aufmacht. Tut mir Leid, wenn Sie meine Tour langweilig fanden«, sagte Kate. »Sollten Sie jedoch Lust haben, den Tower of Grace noch einmal zu besteigen, lassen Sie es mich wissen. Ich werde Sie gerne nach oben begleiten.«
    »Ich glaube, damit warten wir lieber, bis Sie eine Lektion im Fach Präsentation bei diesem netten Bibliothekars-Assistenten genommen haben«, sagte Martha.
    »Ich arbeite daran«, erklärte Kate. »Aber lassen Sie sich durch mich nicht von einer kühlen Dusche und Ihrer wohlverdienten Ruhe abhalten. Wir sehen uns dann beim Abendessen.«
    »Ich wollte Ihnen noch schnell die Fotos zeigen, die wir gemacht haben«, sagte Martha. »Ich dachte, das würde Sie interessieren.«
    »Natürlich interessieren mich die Fotos«, erklärte Kate und warf einen Blick auf das Bündel, das Martha aus ihrer großen Jutetasche zog. Auf dem Paket klebte eine grüne Haftnotiz, die mit einem blauen Filzschreiber beschriftet war und Kate sehr vertraut vorkam. Was ist das? Aber nein, es war unmöglich, dass Martha oder Curtis die unfreundlichen Drohbriefchen in Kates Akten geschrieben hatten. Außerdem hatten sie Chris Townsend wahrscheinlich nicht gekannt.
    »Hier sehen Sie unser hübsches Grüppchen vor dem Sheldonian Theatre«, sagte Martha.
    Kate beugte sich vor und versuchte, den grünen Zettel zu entziffern. Martha nahm den Ordner, an dem der Zettel klebte, verstaute ihn unter den Fotos und entzog so die Haftnotiz ihren Blicken. Mist.
    »Und hier ist ein Foto von Ihnen«, fuhr Martha fort. »Sehen Sie, Sie tragen dieses blaue Kleid.«
    O ja, sie sah es. Das Kleid war wirklich sehr auffällig; die Farbe wurde von einem blassen Wasserblau am Ausschnitt nach unten hin immer dunkler und lief am Saum in ein strahlendes Pfauenblau aus. Ihre Ohrringe hatten die Sonne eingefangen und blitzten in die Linse der Kamera. Auch ihr Haar schimmerte in glänzenden Gold- und Silbertönen im hellen Sonnenlicht. Sehr beeindruckend, dachte sie. Falls jemand sie an dem Nachmittag, als Chris gestorben war, so gesehen hatte, würde er sich sicher in allen Einzelheiten an sie erinnern. Vielleicht sollte sie ihr Haar in Zukunft lieber Mausgrau und Rattenbraun färben lassen und sich von Kopf bis Fuß in dezentes Beige hüllen.
    Sie dachte an den Tag zurück, als sie vor dem Schaufenster auf dem Bürgersteig stand. Immer noch konnte sie sich an keine Einzelheiten der vielen Menschen erinnern, die um sie herumgeschwirrt waren oder sich zwischen ihr und dem Schaufenster vorbeigedrückt hatten. Oder nur sehr undeutlich. Vage entsann sie sich einer italienischen Schülergruppe, der merkwürdigen Akademiker in Robe und einiger Hausfrauen mittleren Alters. Doch ihre Gesichter blieben leer und sagten ihr nichts. Jeder, den sie seither im Bartlemas kennen gelernt hatte, hätte dabei sein können – sie hätte ihn nicht erkannt. Doch jeder würde sich an die Gestalt im blauen Kleid erinnern. Wer sie an diesem Tag dort gesehen hatte, würde ein präzises Bild von ihr haben, gestochen scharf, wie auf diesem Foto.
    »Wenn Sie das Bild wirklich so mögen, schenke ich es Ihnen selbstverständlich gern«, erklärte Martha, während sie versuchte, Kate das Bild aus den Fingern zu zerren. »Allerdings hatte ich gehofft, die komplette Fotoserie unserer England-Reise als Erinnerung mit nach North Carolina nehmen zu können.«
    »Nein, nein«, wehrte Kate ab. »Ich brauche es nicht. Nehmen Sie es ruhig mit. Aber danke, dass Sie es mir gezeigt haben.«
    Martha stopfte die Fotos in ihre Tasche zurück. Kate reckte den Hals in der Hoffnung, doch noch einen Blick auf den grünen Zettel werfen zu können, wurde aber enttäuscht.
    »Ach übrigens, wie lange haben Sie beide sich eigentlich dieses Mal in England aufgehalten?«, fragte sie beiläufig.
    »Ich weiß nicht, wie lange Curtis hier war, aber ich bin jetzt fast drei Wochen im Land. Alles in allem wird wohl ein ganzer Monat daraus werden, ehe ich in die Staaten zurückkehre.«
    Mit erhobenen Augenbrauen sah Kate Curtis an und hoffte, dass er sich ebenfalls äußern würde, doch er nahm sie nicht zur Kenntnis. Sie hatte nach wie vor den Verdacht, dass beide sich noch im Dozentengarten des Leicester aufgehalten hatten, als sie beinahe erwürgt worden war. Kate versuchte, sich an Einzelheiten des geheimnisvollen Würgers zu

Weitere Kostenlose Bücher