Unheil ueber Oxford
unseren Schützlingen essen?«
»Wir gehen eine Stunde oder so vor dem Essen hin, unterhalten uns mit ihnen, kümmern uns um sie und verschwinden, wenn es zu Tisch geht. Zufällig weiß ich, dass der Koch am Samstag freihat und sein Lehrling sich immer noch an Steak und Kidney Pie und Reispudding versucht.«
»Bei diesem Wetter? Kaum zu fassen!«
»Es stimmt aber.«
»Schluss damit! Sie kommen zu mir zum Essen«, sagte Kate. »So gegen sieben?«
»Prima. Danke.«
»Ach übrigens, worüber wollen Sie mit mir sprechen?«
»Über ein paar merkwürdige Dinge, die passiert sind, und über Bemerkungen, die ich mitbekommen habe und in denen es um Sie geht.« Sie legte auf. Kate wurde sehr nachdenklich und freute sich, dass sie an diesem Abend, und vielleicht auch noch länger, nicht allein war.
»Wer war das?«, fragte Paul. »Einer deiner anderen Freunde?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du in meiner Anwesenheit nicht sprechen wolltest und ihn für Samstag eingeladen hast, mich aber nicht.«
»Sehr scharfsichtig«, bemerkte Kate. Das zeigte wieder einmal, wie falsch selbst ein Polizist manchmal bestimmte Situationen beurteilte, dachte sie. Gut, dass sie ihre Probleme nun doch nicht zur Sprache gebracht hatte.
Später schlossen sie das Fernsehgerät wieder im Schrank ein und machten es sich zusammen auf dem rosa Sofa bequem. Gerade beschloss sie, ihm den Schlips abzubinden, als er ganz von allein auf die Idee kam.
KAPITEL 14
Auf einem königlichen Thron
Der weit die Macht von Ormus oder Ind besiegt,
Und auch die reichste Welt des Ostens
Die ihre Könige mit Gold und Perlen krönt,
Ließ sich der Satan preisen.
John Milton, Paradise Lost, II
H
eute wollen wir also die Gärten Eden miteinander vergleichen «, sagt Christopher .
» Ich glaube , ich habe jetzt genug über Briony und ihren Garten gehört . Hat man einen Garten Eden gesehen , kennt man alle , pflege ich zu sagen . Allerdings hast du deinen Bericht über die Vorgänge am Bartlemas College nicht beendet ; ich würde jedoch gern mehr über die unlauteren Geschäfte dort erfahren . Mir scheint , es hat mehr mit meinen Untersuchungen über Opfer zu tun als deine kleinen Unstimmigkeiten mit Briony .«
» Wie lautet der Titel Ihrer Untersuchung? ‘Die Auswirkungen des Geschlechts auf das Opfer? › Opfer und Geschlecht ‹ ? › Chronik eines Opfers ‹ vielleicht? «
» Schluss mit den Späßen . Erzähle mir lieber vom Bartlemas . Immerhin hast du mir einen ungekürzten Bericht versprochen . Bisher sieht es so aus , als hättest du auch hier wieder voll ins Schwarze getroffen .«
» In gewisser Weise trifft das zu .«
» Aber? «
Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich einen Partner brauchte. Mein erster Gedanke war, es mit einer Frau zu versuchen. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass Frauen mich attraktiv finden. Es funktionierte bei Viola, und ebenso bei Briony. Ehrlich gesagt glaube ich heute noch, dass ich Brionys Mutter nur dank meiner gut geschnittenen Wangenknochen und meines jungenhaften Aussehens als Schwiegersohn überzeugen konnte.
Es gab zwei Kandidatinnen, die in Betracht kamen. Eine davon, und zwar die wahrscheinlichere, war Sadie James.
Ich mochte ihr üppiges, glänzendes, kastanienfarbenes Haar. Oft schüttelte sie ihre Mähne und warf mir aus dunklen Augen mit langen Wimpern tiefe Blicke zu. Und dann dieser sinnliche Mund mit dem roten Lippenstift! Sie wusste ganz genau, wie sie auf Männer wirkte. Wenn sie merkte, dass ich sie ansah, zuckte ihr Mundwinkel und hob sich um Millimeterbruchteile. Immer hatte man den Eindruck, sie wisse um etwas sehr Aufregendes, das sich uns anderen entzog; etwas, das sie einem nur allzu gern im Schlafzimmer, im Treppenhaus, auf dem Küchentisch oder auf dem Teppich vor dem Kamin zeigen würde. Selbst wenn sie Jeans und T-Shirt trug, hatte man das Gefühl, dass ihre Unterwäsche aus Seide war; manchmal glaubte ich gar das leise Rascheln des kostbaren Stoffes zu hören.
Entschuldigung, ich habe mich ein wenig hinreißen lassen.
Jawohl, ich war der Meinung, dass sie mich umgarnte. Und so fragte ich sie eines Tages, ob sie mit mir zu Mittag essen wolle. Es war eine freundschaftliche »Wir-sind-schließlich-nur-Kollegen«-Einladung. Ich führte sie in ein kleines, sehr hübsches Restaurant ein wenig außerhalb des Stadtzentrums, wo wir wahrscheinlich keine Bekannten treffen würden.
Die Rechnung belief sich auf eine dreistellige Zahl, das Trinkgeld nicht eingerechnet. Als ich ihr
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