Unheil ueber Oxford
Frau verheiratet. Ich mochte ihn ganz gern, obwohl ich ihn nicht bewundern konnte. Was mich anging, so war er ein netter Zeitvertreib für untätige Nachmittage. Ich mag Sex; er macht mir Spaß. Aber ich verspüre nicht die geringste Lust, mich allzu sehr auf meinen Partner einzulassen.«
»Chris? Wollen Sie sagen, Sie hatten ein Verhältnis mit ihm? Ich dachte, er hätte etwas mit Sadie gehabt.«
»Das dachte jeder. Ach übrigens, ist da jemand in Ihrer Küche?«
»Ja, ein junger Freund von mir. Er heißt Harley. Beachten Sie ihn nicht weiter. Er hat sich angeboten, den Abwasch zu machen.«
»Sehr löblich. Ich hasse es, zu spülen. Wo war ich stehen geblieben?«
»Beim Thema Männer.«
»Ich schätze es nicht, Fremde in einem Pub oder einer Bar anzusprechen und mit nach Hause zu nehmen. Mir ist an einer gewissen Kontinuität gelegen, und ich habe gern einige gemeinsame Interessen mit meinem Partner. Doch im Grunde war Chris mir nicht wichtiger als mein Frisör oder die Bilder, die ich mir an die Wand hänge. Ich habe Freude daran, und sie erfüllen ihren Zweck, aber sie sind nicht Mittelpunkt meines Lebens.«
»Ich wünschte, ich könnte so sein wie Sie. Ich lasse Männer immer gleich ins Zentrum meines Lebens, und dann zerstören sie alles, was mir wichtig ist. Ich hole mal eben den Nachtisch.«
»Wunderbar. Aber Sie machen einen großen Fehler. Wenn Sie Schriftstellerin sein wollen, dann müssen Sie lernen, allein zu leben und nicht emotional von anderen abhängig zu sein.«
»Aber ich bin Schriftstellerin. Immerhin habe ich inzwischen acht Bücher veröffentlicht. Qualifiziert mich das etwa nicht, mich Schriftstellerin nennen zu dürfen?«
»Stellen Sie sich einmal vor, wie viel besser Sie sein könnten, würden Sie nicht dieses ganze emotionale Durcheinander mit sich herumschleppen!«
»Ich weiß nicht recht. Ich glaube, über emotionales Durcheinander schreibe ich gerade am besten.«
»Nun, wenn Sie meinen.«
»Aber ich wüsste gern, was als Nächstes geschah. Haben Sie sich mit Chris gestritten? Haben Sie ihn getötet? « Oje, warum stellte sie nur so dumme Fragen, während sie allein mit einer möglichen Mörderin an ihrem Esstisch saß und Schoko-Mandelkuchen in Stücke schnitt? War vielleicht das emotionale Durcheinander in ihrem Leben schuld daran? Sollte sie möglicherweise eine rationalere Denkweise einüben? Sie häufte einen Berg Sahne über Faith’ Portion und reichte ihr den Teller.
Faith lachte ihr ins Gesicht. Lachten Mörder? Und noch viel wichtiger: Lachten Mörder ihre Opfer an, ehe sie sie über eine Brüstung stießen? Wie gut, dass sie sich hier im Erdgeschoss befanden.
»Natürlich habe ich ihn nicht umgebracht! Haben Sie das etwa die ganze Zeit geargwöhnt?«
»Es wäre immerhin eine Möglichkeit gewesen.«
»An jenem Tag war Chris bei mir zu Hause zum Mittagessen. Er hatte vom Italiener eine Quiche mitgebracht und sie zum Aufwärmen in den Backofen gestellt. Dazu bereitete er eine Art Gemüseeintopf aus komischem Grünzeug …«
»Ratatouille?«
»Kann schon sein.«
»Als ich vor ein paar Tagen bei Ihnen gekocht habe, fand ich einige Zucchini in Ihrem Kühlschrank. Ich nehme an, er hat sie übrig gelassen. Damals dachte ich nicht an Ratatouille.«
»Ich denke auch eher selten an Ratatouille.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Der arme Mann fühlte sich von Briony geradezu gehetzt. Sie gab immer mehr Geld für teuren Garten-Schnickschnack aus. Extrem teuren Schnickschnack, wie zum Beispiel einen viktorianischen Wintergarten. Ich könnte mir vorstellen, dass Chris nicht in die Kriminalität abgeglitten wäre, wenn sie nicht derartig überzogene Forderungen gestellt hätte. Ich glaube, sie hat sich nie gefragt, wo er das Geld für ihre extravaganten Pläne herbekommen sollte.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich glaube eher, dass ihn schon sein früheres Leben auf einen unehrenhaften Weg geführt hat.«
»Sie können ganz schön hart sein! Wie dem auch sei, er war um die Mittagszeit bei mir. Wir hatten viel Spaß miteinander im Schlafzimmer – die Details interessieren Sie sicher nicht besonders, oder? Nein? Dachte ich mir. Wir aßen unsere Quiche und das Gemüse, das Chris zubereitet hatte. Chris trank eine halbe Dose Lager. Danach küssten wir uns leidenschaftlich, und ich sagte ihm, dass zwischen uns alles aus wäre. Er rannte in Richtung Magdalen Bridge davon. Danach habe ich ihn nie mehr gesehen.«
»Wie
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