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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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ob er sie wirklich bei ihrem Vorhaben zu unterstützen bereit war. Sie erzählte ihm zunächst, dass sie als Alleinerbin eingesetzt worden sei, weil Ehepaar K. Dr. von W. gehörig betrogen habe. Da sie fürchte, mit Vorwürfen und Verdächtigungen überhäuft zu werden, wünsche sie seine fachkundige ärztliche Begleitung während des Sterbevorgangs ihres Patienten. Dr. von W. befinde sich ihrer Einschätzung nach im finalen Stadium, und man müsse mit seinem baldigen Tod rechnen. Eine kurative Behandlung sei nicht mehr möglich, es gehe jetzt nur noch darum, den bereits begonnenen Sterbeprozess möglichst schmerzfrei zu gestalten. Dass er im Sterben liege, zeige auch der Blutdruck, der systolisch auf 85 mm Hg gesunken war. Dr. von W. war demnach fast bewusstlos. Dann schickte der »Pflegeengel« den naiven Jungarzt nach Hause, nahm anschließend eine Decke, faltete diese auf die Größe zweier DIN -A 4 -Blätter, trat an das Bett des Dr. Roland von W. und drückte ihm diese so lange auf die Atemöffnungen, bis er tot war – nach rechtsmedizinischer Untersuchung mindestens drei Minuten lang, vermutlich aber länger. In manchen Fällen kann es bis zu zehn Minuten dauern, bis alles Leben aus einem Erstickenden entwichen ist. Am anderen Morgen rief Therese O. den jungen Arzt zur Leichenschau.
    M ehrere Monate gingen ins Land, die Machenschaften der Therese O. waren nahezu vollständig aufgedeckt, alle Winkelzüge, Unterschlagungen und Intrigen geklärt; es fehlte nur noch ein abschließendes rechtsmedizinisches Gutachten. Dieses lieferte schließlich die junge Rechtsmedizinerin Dr. Elsbeth R., die schon die erste Leichenschau durchgeführt hatte. Das Gutachten, das unter Einbeziehung der feingeweblichen Untersuchungen und der toxikologischen Ergebnisse erstellt worden war, wurde später vom Gericht als beeindruckend und überzeugend gewertet. Das Ergebnis räumte jeden Zweifel aus: Dr. Roland von W. war ge waltsam erstickt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl wegen Mordes gegen Therese O., der zuständige Ermittlungsrichter erließ ihn antragsgemäß, und die zuständigen Sachbearbeiter der Mordkommission München vollzogen ihn. Therese O. wurde in einer kleinen Wohnung, die sie zwischenzeitlich gemietet hatte, angetroffen und festgenommen. Jetzt fehlte nur noch ihr Geständnis.
    Geständnisse müssen von Reue und Einsicht getragen sein, wenn sie eine strafmildernde Wirkung haben sollen. Bei Mord, bei dem bekanntlich lebenslange Freiheitsstrafe vorgeschrieben ist, kann zusätzlich eine besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, die – zumindest in Bayern – eine Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren ausschließt.
    Voraussetzung dafür, dass Straftäter, insbesondere Mörderinnen und Mörder, ihre Schuld gestehen, ist eine gewisse Vertrauensbasis zwischen ihnen und den vernehmenden Beamten. Bei Therese O., das war schon bei ihrer ersten Befragung als Zeugin deutlich geworden, durften das keine allzu jungen Ermittler sein, die sie allenfalls hätte auflaufen lassen. Es musste jemand sein, der sich zumindest altersmäßig mit ihr auf Augenhöhe befand. In diesem Fall wurde ich gebeten, »es zu versuchen«.
    Therese O. saß mir gegenüber und hielt die Arme vor ihrer Brust verschränkt; ein deutliches Zeichen von Abwehr. Mir war klar, dass ich eine rational denkende und handelnde Täterin vor mir hatte, einen der wenigen Menschen, die zu solchen Taten überhaupt fähig waren. Hier spielten keine Emotio nen wie Eifersucht, Liebeskummer, Hass oder Wut eine Rolle, sondern kaltes Kalkül, Habgier und zielstrebiges Handeln. Dies zu erkennen war wichtig, um die richtige Vernehmungsvariante wählen zu können. Denn auch von den Vernehmungsbeamten war rationales, emotionsloses und besonnenes Vorgehen gefordert.
    »Frau O., Sie haben den Haftbefehl gelesen, möchten Sie sich dazu äußern?«
    »Nein, zu diesem Unsinn äußere ich mich nicht. Alles erstunken und erlogen. Ich werde nur mit meinem Anwalt reden.«
    »Sie möchten auch nicht erklären, warum das alles erstunken und erlogen ist? Wollen Sie sich denn nicht rechtfertigen oder verteidigen? Sie haben ein Recht dazu.«
    »Das ist doch lächerlich, was da behauptet wird. Ich habe Herrn von W. nicht umgebracht.«
    »Aber dass Sie sein Vermögen ganz schön dezimiert haben, das dürfte wohl zweifelsfrei bewiesen sein, oder?«
    »Ich habe nur genommen, was er mir gegeben hat.«
    »Im Zustand der Zurechnungsfähigkeit?«
    »Können Sie das Gegenteil

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