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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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hochdosierten Medikamente benötigt hätte, die ihm verabreicht wurden. Seine geistige Verwirrung war auf diese Medikamente zurückzuführen, die geeignet waren, ihn langsam, aber sicher umzubringen. Wäre er in andere Hände gekommen, hätte er wieder gesund werden und noch Jahre leben können.
    Die mutige Lehrerin sagte vor Gericht furchtlos aus und trug viel zur Wahrheitsfindung bei. Sie erfreut sich übrigens noch heute bester Gesundheit. Das Ehepaar K. wurde rehabilitiert, verkaufte die Wohnung des Dr. von W. und spendete das Geld einer Krebsstiftung. Das Bargeld freilich war verloren.
    D er Fall löste in der Bevölkerung großes Entsetzen aus und warf die Frage auf, wie ein Mensch, der von Berufs wegen anderen Menschen beisteht und hilft, eine solche Kaltblütigkeit und Herzlosigkeit entwickeln kann. Wie kommt es, dass Menschen, die einerseits einen Helferberuf wie Arzt, Kranken- oder Altenpfleger, Sanitäter, Feuerwehrmann oder auch Polizist ergreifen, andererseits so schlechte Charaktereigenschaften haben können? Bilden sich diese erst im Laufe der Zeit aus oder sind sie einem Menschen in die Wiege gelegt? Fragen, auf die ich bis heute keine befriedigende Antwort gefunden habe. Vieles sprach zumindest in dem vorliegenden Fall dafür, dass Therese O. schon immer besonders gefühlsarm war, obwohl sie offiziell als Pflegeengel galt – tätsächlich aber eher als Todesengel zu bezeichnen war.
    Therese O. hatte über Monate hinweg eiskalt und entschlossen die Ermordung eines Menschen betrieben – und dabei ihr Opfer gepflegt, ihm täglich in die Augen gesehen und dessen uneingeschränktes Vertrauen genossen. Trotzdem konnte sie über einen langen Zeitraum hinweg in dem Bewusstsein leben, dass sie es alsbald töten würde, ohne sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen. Ursprünglich war die sukzessive Vergiftung mittels Medikamenten geplant. Als aber der Zeitplan aus den Fugen geriet, entschloss sie sich, die Sache zu beschleunigen und das Finale einzuleiten. Sie vollendete schließlich ihre Mordplanung durch eine der brutalsten und grausamsten Tötungsarten, die es aus meiner Sicht überhaupt gibt: Das Ersticken, die gewaltsame Unterbrechung der Luftzufuhr, ein relativ langer Todeskampf, bei dem die Opfer bewusst wahrnehmen, was ihnen gerade angetan wird und von wem. Die Gesichter der Mörder sind das Letzte, was sie sehen.
    Über diesen Kriminalfall habe ich lange nachgedacht, weil ich selten größere kriminelle Energie und Kaltblütigkeit erlebte als hier bei Therese O., der Helferin, der Pflegerin, der Heilenden – mehr als bei den meisten Berufsverbrechern. Das Böse kann eben auch dort zu Hause sein, wo man es am allerwenigsten vermutet.
    B eim Schlussplädoyer wies der Anwalt darauf hin, dass das Geständnis seiner Mandantin nicht ver wertbar, weil sowohl objektiv als auch subjektiv falsch sei. Im Laufe der Hauptverhandlung sei doch nachgewiesen worden, dass nicht ein Kissen, sondern eine Decke todesursächlich war. Es habe sich auch nicht um Sterbehilfe gehandelt, sondern um einen Unfall beim Wickeln des Dr. von W., der versehentlich mit dem Gesicht in die Decke gedrückt worden sei, die als Unterlage gedient habe. Die Selbstbezichtigung der Sterbehilfe sei seiner Mandantin durch den hinreichend für seine Vernehmungstricks bekannten Kriminalbeamten Wilfling entlockt worden.
    Im Zeugenstand konfrontierte mich der Anwalt mit dem Vorwurf, ich hätte seiner Mandantin eine Verurteilung wegen Mordes als Alternative zu einer Verurteilung »nur« wegen Sterbehilfe suggeriert. Ich antwortete Folgendes:
    »Ihre Mandantin hat die vorsätzliche, also die bewusste und gewollte Tötung eines Menschen gestanden. Nicht mehr und nicht weniger. Was die Art der Durchführung betrifft, hat sie gelogen, da haben Sie recht. Was das Motiv betrifft, hat sie auch gelogen, das steht fest. Aber gerade deswegen ist das Geständnis echt. Weil es nämlich auf dem beruht, worauf alle echten Geständnisse beruhen: der subjektiven Wahrheit der Täter. Jeder Mensch, der sich schuldig gemacht hat und aus irgendwelchen Gründen gezwungen oder bereit ist, sich auch schuldig zu bekennen, wird nur seine Sicht der Dinge wiedergeben. Jeder Täter versucht, Schuld zu relativieren oder auf andere abzuwälzen, das wahre Motiv zu verschleiern, Dinge zu beschönigen oder die Brutalität seines Handelns abzumildern. Dieses ›Herunterfahren‹ ist sogar ein sicherer Hinweis dafür, dass ein Geständnis echt ist. Das müssten Sie als Jurist

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