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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Stunde später verließ Holman die U-Bahnstation
    am Trafalgar Square, Hände und Gesicht von Staub geschwärzt, die noch leuchtende Taschenlampe in der Hand.
    Die Wanderung durch die finsteren Tunnels war ohne Zwischenfall verlaufen. Die Station St. John's Wood war menschenleer gewesen, obwohl alle Lampen noch brannten. Er
    vermutete, daß die Station im Laufe der Nacht aufgegeben
    worden war und niemand sich die Mühe gemacht hatte, die
    Scherengitter zu schließen oder den Strom auszuschalten.
    Eine Tür mit der Aufschrift >Dienstraum< stand halb offen,
    und er fand eine große Stablampe mit Gummifassung. Er
    hatte keine Ahnung, ob der Fahrstrom ausgeschaltet war
    und hielt sich von den in Kniehöhe verlaufenden, halb abgedeckten Fahrleitungen fern, mußte sie aber bei Weichenanlagen außerhalb der Station mehrmals übersteigen und
    hätte sich dabei wohler gefühlt, wenn er sicher gewesen wäre, daß sie nicht mit tödlichem Starkstrom geladen waren. Glücklicherweise waren die vereinzelten schwachen Deckenlampen entlang den Tunnels auch eingeschaltet geblieben, und nur im weiteren Verlauf hatte es einige Stellen gegeben, wo die Beleuchtung ausgefallen war. Die Stationen
    waren voll von eingedrungenem Nebel, wenn er hier auch
    weniger dicht zu sein schien, und sogar über die Gleise zogen da und dort dünne Schleier. Einmal hörte er gedämpfte
    Stimmen im Tunnel, schaltete seine Lampe aus und wartete
    im Dunkel, bis sie sich in der Ferne verloren. Seine Hauptsorge war, daß ein Zug durch den Tunnel auf ihn zugedonnert käme, eine Angstvorstellung, die abzuschütteln ihm schwerfiel. Selbst die schwarzen, huschenden Gestalten
    aufgescheuchter Ratten störten ihn nicht so sehr wie dieser
    Gedanke.
    Aber er schaffte es. Die Erleichterung war groß, wieder in
    helles Tageslicht zu kommen, so grau es auch war, und beflügelte seinen Schritt. Der Nebel schien etwas weniger
    dicht, aber er war nicht sicher, ob es nicht daran lag, daß er
    aus der Dunkelheit der Tunnels gekommen war und der
    Kontrast zum nebligen Grau seine Augen täuschte.
    Ein sonderbares Geräusch zu seiner Rechten ließ ihn aufmerken, ein gleichmäßiges, monotones und irgendwie gespenstisches Gurren. Erst als er sie sah, merkte er, daß es
    Tauben waren, Tausende von Tauben, die auf dem Trafalgar Square zu Hause waren. Wurden sie vom Nebel angegriffen? Ihr vieltausendfacher vereinter Ruf war seltsam und
    hypnotisch und weckte seine Neugierde. Ungeachtet seiner
    Instruktionen, allen möglichen Gefahren auszuweichen,
    ging er näher heran, nicht, ohne gleichzeitig nach verdächtigen Bewegungen oder schemenhaften Gestalten Ausschau
    zu halten,
    Die Tauben waren wie ein dunkelgrauer Teppich vor ihm
    über den inneren Platz ausgebreitet. Ihre Zahl war so groß,
    daß die Menge der Vögel sich im Nebel verlor und den Eindruck erweckte, daß sie den gesamten Platz völlig bedeckte.
    Dann und wann flatterte ein Tier auf, um schon nach wenigen Metern wieder auf den Rücken der anderen zu landen und
    sich zwischen sie zu drängen. Sie schienen frei von
    Angst; Holman bemerkte keine Nervosität an ihnen, keine jähen Bewegungen außer in Fällen, wo einzelne von ihren Plätzen gedrängt wurden und sich einen neuen suchen mußten.
    Und unaufhörlich durchdrang das tiefe Gurren die vergiftete
    Luft, unheimlich und unwiderstehlich. Plötzlich bemerkte Holman, daß höhere Schatten aus dem Teppich der Vogelkörper ragten, die geisterhaft verschwommenen Umrisse
    von Menschen, die still und völlig bewegungslos standen. Er zog sich zurück. Etwas bahnte sich an. Er spürte es. Sein Blick wich nicht von den Vögeln, bis der Nebel sie
    vor ihm verhüllte, und dann erst drehte er um und ging
    schnell weiter. Er konnte sich vorstellen, daß eine jähe Bewegung einer der Personen, die unter den Tauben standen
    und es mußten ziemlich viele gewesen sein, denn er hatte
    in seinem eingeschränkten Gesichtskreis fünf gezählt — die
    Masse der Tauben zu Schreckreaktionen verleiten würde.
    Ob sie dann angreifen würden oder nicht, vermochte er
    nicht zu beurteilen, aber der Instinkt riet ihm, es nicht darauf ankommen zu lassen.
    In der Hoffnung, daß er den richtigen Weg eingeschlagen
    hatte, eilte er weiter. Der Umstand, daß er hier auf dem
    Platz in einer Art Niemandsland zu sein schien, ohne Bordsteinkanten und Gebäude, die als Wegweiser dienen konnten, verstärkte seine innere Unruhe. Wenn sein Richtungsgefühl stimmte, mußte Whitehall vor ihm sein, der Strand
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