Unheil
Unterarm unter dem Kinn des anderen, bis dieser mit dem Hinterkopf gegen die Ziegelmauer schlug. Es gab ein vernehmliches Geräusch, und der Mann brach in die Knie, eine
Hand zum Hinterkopf erhoben und stieß ein mitleiderregendes winselndes Schluchzen aus. Mit der anderen Hand tastete er blindlings nach Holmans Bein, aber der trat zu-
rück, wandte sich um und lief davon.
Als er haltmachte, sah er sich vollständig vom Nebel isoliert. Er mußte auf die Straße hinausgelaufen sein, denn er
konnte in keiner Richtung etwas ausmachen. Er schlug die
Richtung ein, die nach seinem Orientierungssinn die richtige sein mußte, und ging rasch weiter, diesmal jedoch hellwach und bereit, jeder Gefahr auszuweichen. Zu seiner Linken hörte er wieder einen Schrei, einen langen und durchdringenden Schrei, der in einem Übelkeit erregenden,
dumpf patschenden Aufschlag endete. Etwas Nasses traf
seine Wange, und er wischte es mit der Hand weg. Als er
auf seine Finger sah, waren sie mit Blut beschmiert. Heftig
wischte er sich die Wange mit dem Ärmel, abgestoßen von
dem Gedanken daran, was geschehen war. Jemand, ein
Mann oder eine Frau, war aus einem Fenster gesprungen,
und der aufschlagende Körper hatte weithin Blut verspritzt. Wieder beschleunigte er seinen Schritt. Je länger er
brauchte, Westminster zu erreichen, um so mehr Menschen
würden auf den Straßen sein. Er mußte sich beeilen. Konnte er
das Risiko auf sich nehmen, einen Wagen zu nehmen? Er
würde praktisch blind fahren müssen, aber es mochte der
Mühe wert sein. Dann hörte er Gesang, nicht weit entfernt
und näherkommend. Es war eine laute und klare Männerstimme, und sie hörte sich fröhlich an. Plötzlich tauchte aus
dem Nebel der dunkle Umriß eines Radfahrers auf, der in
langsamen Schlangenlinien die Straße daherkam, scheinbar
weltvergessen und ganz auf seinen Gesang konzentriert. Er
sah Holman und fuhr in einem Kreis um ihn, lächelnd und
singend, ohne den Blick von Holmans Augen zu lassen,
doch weder herausfordernd, noch kriegerisch. Friedrich. Als der Radfahrer seine zweite Umkreisung beendete,
dachte Holman daran, ihm das Rad abzunehmen und selbst
zu gebrauchen, entschied sich aber dagegen, denn es könnte gefährlicher sein als das Gehen. Mit einem Winken verschwand der Mann wieder im Nebel, und Holman lauschte
der Stimme, die sich in der wattigen Luft bald verlor. Er
fühlte sich noch einsamer als zuvor.
Kaum hatte er seine Wanderung wieder aufgenommen,
wurden hinter ihm rennende Schritte hörbar, und er flog
herum, aber sie liefen vorbei, ohne daß er mehr zu sehen bekam als eine schemenhafte Gestalt, die aus dem Nebel auftauchte und im nächsten Augenblick wieder darin verschwand. Er begriff, daß es so nicht weiterging. Seine Nerven waren übermäßig angespannt, und er kam langsam vorwärts; bei diesem Tempo würde er Stunden benötigen um
Westminster zu erreichen, und lange vorher würden die
Straßen von Menschen wimmeln. Er mußte einen Wagen
nehmen. Es konnte nicht allzu schwierig sein, einen zu finden, und er wußte, wie er ohne Zündschlüßel starten konnte. Er suchte den Weg zurück zur Bordsteinkante und benutzte sie als Leitlinie. Hier mußte er bald auf einen abgestellten Wagen stoßen.
Er passierte eine Frau, die mit einem gewöhnlichen Hausbesen den Rinnstein kehrte, sich über den aufgehäuften
Schmutz erregte und die Welt verfluchte.
Kurz darauf stieß er auf einen Körper, der ausgestreckt am
Boden lag. Er hielt sich nicht mit einer Untersuchung
auf, ob er tot oder lebendig, männlich oder weiblich war. Er passierte einen Hund, der vom Kadaver eines anderen
fraß. Er blickte auf und knurrte drohend und beobachtete
ihn aufmerksam, bis der Nebel ihn wieder verschluckt hatte.
Holman schnaufte mittlerweile wie jemand, der vom Laufen außer Atem geraten ist, und wußte selbst nicht recht, ob
es an der unreinen Luft oder an seiner inneren Spannung
lag. Er mußte bald einen Wagen finden.
Dann sah er einen Lichtschein, der mit seinem Näherkommen immer heller wurde. Zuerst dachte er, es könne
ein Feuer sein, dann ein beleuchtetes Schaufenster, weil es
in seiner Stärke gleichmäßig blieb, aber als er auf zehn Meter
heran war, erkannte er den Ursprung der Lichtquelle. Der
Anblick zeigte ihm, wie er rasch und mit weit geringerem
Risiko durch London kommen konnte. Es würde furchterregend sein, das wußte er, aber nicht so beängstigend wie eine Fahrt mit dem Wagen. Er begann zu laufen.
Eine gute
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