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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Er hatte Kopfschmerzen bekommen, durch Überanstrengung der Augen, wie er dachte, vom Umherspähen im Nebel, dem Bemühen, Umrisse vertrauter Anblicke wiederzufinden. Wenigstens die Straßen sollten klarer sein, weil die vorbeifahrenden Wagen den Nebel in Bewegung brachten. Er kicherte, ohne zu wissen warum, und kicherte noch immer, als er den Bürgersteig auf der anderen Seite erreichte. Er bog nach rechts und blieb nahe an den Ladenfronten zu seiner Linken, um sie als Orientierungshilfe zu nutzen.
    Bald hatte er die Einfahrt zum Busdepot erreicht und ging hinein, gelegentlich von aufkommender Heiterkeit geschüttelt. Er fragte sich nicht, warum das Depot leer war, warum kein Inspektor da war, seine Abfahrt zu registrieren, warum kein Schaffner ungeduldig auf ihn wartete. Es interessierte ihn nicht. Er kletterte einfach in sein Fahrerhaus, noch immer grinsend, bisweilen kichernd, und startete den Diesel. Dann fuhr er langsam an und aus der Depothalle ins Freie.
    In ganz London erwachten die Menschen und entdeckten, daß ihre Häuser und Wohnungen von gelblichgrauem Nebel umgeben waren. Einige erkannten seine Bedeutung, andere nicht; viele waren bereits zu geistesgestört, um sich etwas daraus zu machen. Tausende waren während der Nacht geflohen, Glückliche, die die Lautsprecherwarnungen oder die Radiodurchsagen gehört hatten. Diese hatten wiederum Freunde und Verwandte benachrichtigt, entweder per Telefon (das infolge der chaotischen Verhältnisse am wenigsten verläßlich war) oder durch eilige Besuche.
    Aber es war eine große Stadt, und den Tausenden, die sich hatten in Sicherheit bringen können, standen Millionen gegenüber, die überhaupt nicht gewarnt wurden. Die Panik der vergangenen Nacht war nichts, verglichen mit den tragischen und bizarren Ereignissen, die während des nun beginnenden Tages folgen sollten.

19

    Holman steuerte das gepanzerte Fahrzeug vorsichtig die Rampe vorn großen unterirdischen Bunker hinauf und in den Nebel. Ein Mann namens Mason, unförmig in seinem Schutzanzug, saß auf dem Beifahrersitz und spähte durch das kleine, bleiverstärkte Fenster aus Panzerglas, das Gesicht in angespannter Konzentration.
    »Er scheint nicht so dicht zu sein wie vorhin«, sagte
    Holman, den Blick auf die Straße fixiert.
    »Wahrscheinlich ist er im Londoner Becken zur Ruhe gekommen, und nun breitet er sich ein wenig aus«, erwiderte Mason.
    Holman nickte; es schien logisch. London lag in einem flachen Becken, ähnlich einer Untertasse, umgeben von niedrigen Hügeln. Der angetriebene Nebel mußte sich darin festgesetzt haben und breitete sich nun aus, das Becken zu füllen. Sein wahrscheinlicher Weg führte, sofern nicht ein starker Wind aufkam, ostwärts die Themse entlang durch das
    Flachland von Essex.
    »Fahren Sie links den Themsekai entlang«, sagte Mason mit einem Blick zum Armaturenbrett. »Wenn wir auf der
    Straße bleiben, kommen wir ins Zentrum.«
    Holman bog nach links ab und benutzte die Bordsteinkante als Führunglinie. Er konnte gerade eben die andere Straßenseite erkennen, was ihm früher am Morgen, als er zum
    geheimen Bunker gegangen war, nicht möglich gewesen
    war. Noch jetzt schauderte ihn bei dem Gedanken an die
    unheimliche Wanderung durch die nebelerfüllten Straßen. Noch als er und Casey zum Fenster hinaus in den Nebel
    geblickt hatten, sprachlos vor Bestürzung, hatte das Telefon
    sein beharrliches, durchdringendes Läuten begonnen.
    Holman hatte den hypnotischen Bann des Nebels durchbrochen, um den Anruf entgegenzunehmen, als könne es eine Art Rettungsleine sein, ein Strohhalm, sich daran zu klammern.
    Am anderen Ende war Douglas-Glyne gewesen, der
    Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und hatte mit
    knappen Worten Anweisungen gegeben. Holman hatte keine Möglichkeit gehabt, Argumente vorzutragen oder eine
    abweichende Meinung zu äußern. Er habe sofort zur Westminster-Brücke zu gehen, wo er von einem Fahrzeug abgeholt würde, das einem Panzerspähwagen ähnlich sei, nur
    größer und schwerer und mit mehreren Antennen ausgestattet.
    Von dort würde man ihn zu einem geheimen Treffpunkt
    bringen, dessen Lage jetzt nicht preisgegeben werden könne. Er habe jegliche Verwicklung in Zwischenfälle zu vermeiden, die sich auf dem Weg ergeben könnten; es sei seine
    einzige Aufgabe, den Treffpunkt unversehrt und so rasch
    wie möglich zu erreichen. Er habe sich unter allen Umständen zu schützen, selbst wenn es dazu erforderlich sein sollte, andere zu verletzen oder zu

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