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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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daß Holman ihnen das Vergnügen verdarb und warf sich auf ihn. Holman ging unter dem Anprall zu Boden, und das Gewicht seines Angreifers preßte seinen Kopf hart auf die Straße. Sein zur Seite gewandtes Gesicht starrte in die Augen eines Toten.
    Masons Gesicht war keinen halben Meter von ihm entfernt und blickte blind in seine Richtung, mit starren Zügen. Ein Blutgerinsel kam aus einem Mundwinkel, ein Hinweis, daß gebrochene Rippen seine Lunge durchstoßen hatten. Ob es durch den Unfall oder die grausamen Tritte der Irren geschehen war, sollte Holman niemals erfahren; er empfand nur Verzweiflung und den Wunsch, auf der Straße liegenzubleiben, bis man ihn in Ruhe ließ. Aber er wußte, daß sie erst von ihm ablassen würden, wenn er tot wäre. Die schwere Last wich plötzlich von seinem Körper, als der Schwarze aufstand, und ein Stiefeltritt warf Holman auf den Rücken. Zuerst sah er nichts als das Grau des Nebels, die gelblichen, wallenden Nebelschleier, aber dann konnte er grinsende, übel aussehende Köpfe erkennen, als die Menge sich um ihn versammelte und auf ihn herabsah, als wäre er ein Tier, das nun zum allgemeinen Spaß geschlachtet werden sollte. Sie erinnerten ihn an die Gesichter seiner Schulkameraden, als sie vor vielen Jahren einmal eine Wespe in einem Marmeladenglas gefangen und dieses durch ein kleines Loch im Deckel mit Wasser gefüllt hatten. Die erwartungsvollen Gesichter hatten in bösartiger Freude gelächelt, als die Wespe in dem durch das steigende Wasser immer mehr beengten Luftraum des Marmeladenglases gesummt und mit den winzigen Beinen gegen das glatte Glas gestoßen hatte, um Halt zu finden, doch alles vergeblich. Holman hatte sich seitdem immer wieder an die sadistische Freude in den Gesichtern erinnert, als der Wasserspiegel Zentimeter um Zentimeter höhergestiegen war und den Raum zwischen ihm und dem Deckel mehr und mehr eingeengt und zugleich die verbleibende Lebenszeit der Wespe verkürzt hatte. Die grinsenden Irren erinnerten ihn wieder an den Vorfall, denn ihre Mienen waren nicht unähnlich denen der Schuljungen, und auch die Umstände waren nicht viel anders. Aber diesmal würde es keinen geben, der ihm das Leben rettete, wie er es für die Wespe getan hatte, indem er dazwischengegangen war und dem Rädelsführer das Marmeladenglas aus den Händen geschlagen hatte, so daß es am Boden zerschellt war und dem Insekt seine kleine Existenz zurückgegeben hatte. Sein Eingreifen mußte er damals mit einer Tracht Prügel bezahlen, aber schon wegen der verblüfften, enttäuschten Gesichter seiner Schulkameraden hatte sich der Einsatz gelohnt.
    Ein Gesicht beugte sich näher und brachte sein fliehendes Bewußtsein zurück zur Gegenwart, und er sah, daß es das Gesicht des schwarzen Mannes war. Der Busfahrer streckte die Hand aus und packte ihn beim Haar, zog seinen Kopf hoch und vorwärts, und die großen braunen Augen schauten in die seinen. Holman erkannte den glasigen Blick des Irren, sah aber auch die grausame Heiterkeit in den Augen. Er entsann sich des Revolvers.
    Vorsichtig griff er unter die Jacke zum Schulterhalfter, befreite die Waffe aus ihrer Sicherungsschlinge, zog sie heraus und entsicherte sie gleichzeitig, setzte den kurzen Lauf unter das Kinn des Mannes und drückte ab.
    Der Kopf des Busfahrers explodierte und bespritzte die umstehenden Leute mit Blut und Gehirnmasse und Knochenstücken, die wie Schrapnelle in die Luft flogen. Die Wucht des Geschosses ließ den Körper zurücktorkeln, aber der Griff in seine Haare festigte sich noch, so daß einige davon mit der Wurzel ausgerissen wurden. Er sprang auf, hielt die Waffe vor sich, bereit, jeden Angreifer niederzuschießen, aber die Menge war zu verdutzt, um ihn anzugreifen. Die Leute standen da und starrten auf den zuckenden Körper am Boden, und ihre verwirrten Hirne waren unfähig zu verstehen, was geschehen war.
    Holman begann sich langsam zurückzuziehen, ohne den Blick von den Gesichtern abzuwenden, wartete auf das erste Zeichen erneuerter Feindseligkeit. Einige wischten sich Blut aus den Gesichtern und besahen erstaunt ihre Hände. Er sah eine Frau mittleren Alters, die früher beim Anblick von Blut wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen wäre; jetzt leckte sie die roten Flecken von den Fingern einer Hand und wiederholte darauf das gleiche mit der anderen. Ihr Blick ging in die Runde der Schicksalsgenossen, dann zu den Toten am Boden, dann sah sie den vorsichtig zurückweichenden Holman, und ein tierisches Knurren

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