Unheil
brach von ihren Lippen.
Holman wandte sich um und floh. Fort von dem Bus, fort von der Menge und den Toten, fort von dem umgestürzten Fahrzeug. Hinein in den rettenden Nebel.
Er hörte einen Ruf hinter sich und wußte, daß sie ihm folgten. Seine Knie schmerzten, und als Folge des Zusammenstoßes fühlte er sich noch immer schwindlig, aber er gab der Schwäche nicht nach, denn wenn er nicht weiterlief, würde er wieder töten müssen. Und dann würden sie ihn umbringen.
Aus dem Nichts tauchte ein Wagen vor ihm auf, Bremsen kreischten, und er fiel vornüber auf die Kühlerhaube. Zum Glück war er nicht sehr schnell gefahren. Es war ein alter Ford Anglia, rostig, aber offensichtlich noch einigermaßen fahrtüchtig. Holman wälzte sich von der Kühlerhaube und rannte herum zur Tür der Fahrerseite. Er riß sie auf und war im Begriff, den Insassen herauszuzerren, als der erschrockene Mann sagte: »Bitte lassen Sie mich. Ich muß fort von diesen Verrückten!«
Holman zögerte, dann bückte er sich, um den Mann am Lenkrad genauer anzusehen. Er schien Anfang Vierzig zu sein, verhältnismäßig gut gekleidet, vor allem aber schienen seine Augen, wenngleich erschreckt und verängstigt, nicht den glasigen Ausdruck zu haben, den er als ein sicheres Symptom der Krankheit zu beachten gelernt hatte. Er blickte mit bittendem Ausdruck zu Holman auf und sagte wieder: »Bitte lassen Sie mich fahren.«
»Rutschen Sie hinüber!« befahl Holman, drängte sich hinter das Lenkrad und schob den zitternden Mann mit seinem Gewicht auf den Beifahrersitz. Er gab Gas und legte den ersten Gang ein, zog die Tür zu, als der Wagen vorwärtsschoß. Es war buchstäblich die letzte Möglichkeit gewesen zu entkommen, denn schon griffen ausgestreckte Hände nach den Fenstern, wurden aber vom anfahrenden Wagen beiseitegestoßen. Eine Gestalt rannte vor den Wagen und wurde wie ein Kreisel herumgerissen und auf die Straße geschleudert. Holman wich einer weiteren Gestalt aus, und der Wagen geriet ins Schleudern, als er sich plötzlich dem umgestürzten Katastrophenfahrzeug gegenübersah. Der Anglia beschrieb eine kreischende Kehrtwendung, überfuhr die Bordsteinkante und raste fünfzig Meter auf dem breiten Trottoir entlang, das er erst wieder mit einem Bums verließ, als Holman sah, daß er weiter vorn nicht durch die Lücke zwischen einer Verkehrsampel und der benachbarten Wand kommen würde. Als er ausreichende Distanz zwischen sich und die Menge der Verfolger gebracht hatte, verlangsamte er das Tempo, da er befürchtete, im Nebel mit einem anderen Fahrzeug zusammenzustoßen. Jetzt erst merkte er, daß er den Revolver noch in einer Hand hielt, und daß der Mann, den er grob auf den Beifahrersitz gestoßen hatte, ängstlich auf die Waffe starrte. Er steckte sie ins Schulterhalfter zurück und hörte den Mann erleichtert seufzen.
»Sie sind nicht wie alle anderen, nicht wahr?« fragte der Mann.
Holman wandte den Blick von der Straße und sah ihn an. Der andere hatte sich von ihm zurückgezogen, soweit er konnte: Den Rücken an der Tür, eine Hand auf dem Armaturenbrett, die andere an seiner Sitzlehne. Er sah bleich und verschreckt aus.
»Wie alle anderen?« fragte Holman.
»Sie wissen schon, verrückt. Alle sind verrückt geworden. Es ist der Nebel. Bitte sagen Sie mir, daß Sie es nicht sind, daß Sie in Ordnung sind. Wie ich.«
War es möglich? Holman warf dem Mann einen weiter schnellen Seitenblick zu; war es möglich, daß die Krankheit ihn nicht angegriffen hatte? Er wirkte verhältnismäßig normal. Ängstlich, gewiß, aber angesichts der Umstände machte er einen vernünftigen Eindruck.
»Ich bin geistig gesund«, sagte Holman, fragte sich aber, ob das noch zutraf. Konnte jemand, nach allem was er durchgemacht hatte, geistig gesund bleiben?
Der Mann lächelte. »Gott sei dafür gedankt«, sagte er. »Ich habe einen Alptraum durchlebt. Ich dachte, ich sei der einzige, der Übriggeblieben ist. Sie können sich nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe.« Er rieb sich die Augen, die vom Selbstmitleid naß wurden. »Meine — meine Frau versuchte, mich umzubringen. Wir waren beim Frühstück; wir merkten nicht, daß es der Nebel war und was es bedeutete. Ich weiß nicht warum, wir brachten ihn einfach nicht mit dem Nebel, von dem wir gehört hatten, in Zusammenhang dem Bournemouth-Nebel. Dann blickte ich auf, und sie saß einfach so da und starrte mich an, eine Art Lächeln in den Zügen. Ich fragte sie, worüber sie lächle, und sie
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