Unheil
antwortete nicht. Lächelte nur noch mehr. Ihre Augen — ihre Augen waren irgendwie anders. Groß, aber ohne wirklich zu sehen.« Er unterdrückte ein Schluchzen. »Es war entsetzlich«, sagte er gebrochen. Nachdem er tief Atem geholt hatte, fuhr er fort: »Sie stand vom Tisch auf und ging um ihn herum, bis sie hinter mir war. Ich wußte nicht, daß sie das Brotmesser an sich genommen hatte. Ich drehte mich um, sie zu fragen, was los sei und sah sie mit dem Messer zustoßen. Ich — ich hatte noch Glück: weil ich instinktiv auswich, streifte es nur meine Schulter und traf dann die Stuhllehne, wobei die Klinge zerbrach. Dann wurde mir erst klar, was geschehen war. Der Nebel war der Nebel! Ich sprang auf, und wir rangen miteinander. Ich wollte sie nicht verletzen, aber, Gott, sie war so kräftig. Sie ist nur eine winzige Person, meine Frau, wissen Sie, aber auf einmal war sie so stark. Sie stieß mich über den Tisch zurück und wir rangen dort, zwischen dem Frühstücksgeschirr, bis wir auf den Boden rollten. Sie schlug sich dabei den Kopf an und wurde ohnmächtig. Ich wußte nicht, was ich tun sollte.« Er begann zu zittern und mußte wieder eine Pause machen, bis er sich beruhigt hatte.
»Nur ruhig!« sagte Holman beschwichtigend. Der Mann tat ihm leid. Wie viele andere hatten an diesem Morgen Gleiches oder Ähnliches erlebt? Wie viele Menschen, die einander liebten, hatten sich in Geistesverwirrung gegeneinander gewandt und versucht, die Menschen, die ihnen am meisten bedeuteten zu verstümmeln und zu töten? Wie viele hatten sich bisher selbst umgebracht? Hatte dieser Mann Glück, weil die Krankheit ihn nicht erfaßt hatte, oder war er unglücklich, weil er Zeuge hatte sein müssen, was aus seiner Frau geworden war? Es mußte eine furchtbare Erfahrung für ihn gewesen sein, sie als Wahnsinnige vor sich zu sehen, sein eigenes Leben gegen sie verteidigen zu müssen. Er konnte es weiß Gott nachempfinden. »Sprechen Sie nicht mehr davon«, sagte er. »Ich werde versuchen, Sie an einen sicheren Ort zu bringen.«
Der Mann blickte Holman an und schüttelte den Kopf; er schien sich wieder gefangen zu haben. »Nein, ich möchte darüber sprechen. Sie sind der einzige normale Mensch, den ich getroffen habe. Ich bat andere um Hilfe, aber sie sind alle gleich; sie sind verrückt. Warum nicht wir, warum hat es uns nicht erwischt?«
Holman zögerte. Sollte er ihm sagen, daß die Krankheit wahrscheinlich auch ihn ereilen und seine Gehirnzellen zerstören würde, und daß auch er den Verstand verlieren würde, nur etwas später als die anderen? Daß die Inkubationszeit von Person zu Person verschieden war und die Mykoplasmen sich in manchen rascher vernehmen konnten als in anderen? Vielleicht konnte er ihn noch so rechtzeitig zum Hauptquartier bringen, daß Janet Halstead ihn therapierte? Er war nur einer, ein Menschenleben, aber wenigstens wäre es eine positive Tat inmitten all dieses Gemetzels. Die Mission war ohnedies gescheitert; auf sich selbst gestellt, konnte er nichts tun. Vielleicht konnte er mit dem anderen Fahrzeug zurückkehren, sobald sie das Zentrum des Nebels wieder ausfindig gemacht hätten, aber einstweilen mußte er versuchen, dieses eine Leben zu retten.
Glücklicherweise brauchte er die Fragen des Mannes nicht zu beantworten, denn der andere erzählte wieder, durchlebte noch einmal die Schrecken dieses Morgens. »Ich fesselte sie. Was hätte ich sonst tun sollen, ich fürchtete ihre Unberechenbarkeit, fürchtete meine eigene Frau. Als ich dabei war, erwachte sie aus ihrer Betäubung. Sie zappelte nicht, wehrte sich nicht, sagte zuerst auch nichts — starrte mich bloß mit diesen Augen an. Diesen furchtbaren Augen. Ich hatte Angst, hineinzusehen, sie waren so — so haßerfüllt!« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, als wollte er die Erinnerung auslöschen. »Und dann tat sie auf einmal den Mund auf und redete. Solche Unflätigkeiten! Ich konnte es nicht glauben. Ich hatte bis dahin nie gehört, daß sie geflucht oder schmutzige Reden geführt hätte, aber nun diese Obszönitäten, die sie von sich gab! Ich konnte nicht glauben, daß solche Gedanken in einem Menschen existierten, schon gar nicht in ihr! Sie war immer so gut, so freundlich. Ich konnte es nicht ertragen; ich hielt es nicht aus, sie anzuhören, ich hielt es nicht aus, ihr in die Augen zu sehen! Gott ich wußte nicht, was ich tun sollte!
Mir wurde nur klar, daß ich weg mußte, hinaus aus London, und das war nur mit dem
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