Unheil
dem Schinken und den Eiern kaum etwas gegessen hatte und blickte ihm besorgt ins Gesicht.
»Fühlst du dich nicht gut, mein lieber Junge?« fragte sie.
»Es fehlt mir nichts, Mutter, ich habe bloß keinen großen Appetit, das ist alles.« Er schlürfte seinen Tee und blickte dabei in die Tasse statt in ihr besorgtes Gesicht.
»Wahrscheinlich ist es dieser böse Nebel; er ist dir auf die Brust geschlagen.«
»Nein, das glaube ich nicht, Mutter.«
»Du weißt, wie schwach deine Brust ist«, fuhr sie fort, ohne seinen Einwand zu beachten. »Vielleicht solltest du doch nicht so früh am Morgen draußen in der kalten Luft sein.«
Er zog den Kopf zurück, als sie die Hand nach seiner Stirn ausstreckte.
»Nein, wirklich, Mutter, es ist gar nichts. Ich habe bloß keinen Appetit, das ist alles.«
»Bist du zur Toilette gewesen?«
»Ja, Mutter.«
»Laß dir ein paar von den Abführpillen geben, die dein Vater nimmt.«
»Nein, Mutter, ich bin gewesen.«
»Nun, wo tut es dann weh, Lieber?«
»Es tut nicht weh. Ich habe einfach keinen Hunger.«
»Es ist nicht nötig, bissig zu werden, Edward. Ich versuche bloß...«
»Ich bin nicht bissig, Mutter!«
»Daß du dich nicht gut fühlst, ist kein Grund, deine Mutter schlecht zu behandeln.«
»Aber ich fühle mich gut, Mutter. Mir ist nicht nach Frühstück, das ist alles. Ich habe etwas Kopfschmerzen.«
»Na also, warum hast du es nicht gleich gesagt? Ich hole dir ein paar Kopfschmerztabletten, die werden es bald beheben.«
»Nein, so schlimm ist es nicht...« Aber sie war schon fort und kam Sekunden später mit zwei weißen Tabletten in der Hand zurück.
»Nun, nimm die mit deinem Tee, und du wirst dich bald besser fühlen.« Sie hätte ihm die Tabletten tatsächlich in den Mund gesteckt, wenn er sie nicht genommen und schnell geschluckt hätte. »Dein Vater meint, es wäre vielleicht nicht verkehrt, wenn du heute daheimbleiben würdest, falls dein Zustand sich verschlechtern sollte.«
»Du meine Güte, Mutter, es ist nur ein leichter Kopfschmerz!« Edward stand vom Tisch auf. Sein Gesicht wurde vor Zorn fleckig rot.
»Setz dich, Edward.«
»Ja, Mutter.« Er setzte sich.
»Du weißt, wie schrecklich du aussiehst, wenn du wütend wirst.«
»Ich bin nicht wütend geworden«, versetzte er mißmutig.
»Es ist nicht nötig, daß du andere leiden läßt, nur weil du dich nicht gut fühlst.«
Er saß jetzt in brütendem Schweigen, da er wußte, daß weitere Worte von ihm das Gespräch nur verlängern würden, und daß seine Mutter schließlich anfangen würde, über seine Undankbarkeit zu schimpfen und sich die Augen zu reiben.
»Gut, Edward, du kannst zur Arbeit gehen, aber bitte komm heute mittag nicht mit Klagen nach Haus, daß es dir schlechter gehe.«
»Nein, Mutter.«
»Versuch in der Teepause etwas zu essen.«
»Ja, Mutter.«
»Ein paar Kekse oder was.«
»Ja, Mutter.«
Der elende Ausdruck im Gesicht ihres Sohnes erweichte Mrs. Smallwoods Herz. Was sollte er tun, wenn sie nicht länger da wären, für ihn zu sorgen? Er war so abhängig von ihnen, brauchte sie so sehr. Sie glaubte, daß sie zuerst sterben würde, und Vater verstand den Jungen wirklich nicht allzu gut. Wer würde Edward trösten, wenn sein Vater ihn schalt? An wen sollte Edward sich wenden? Tapfer unterdrückte sie Tränen des Mitleids, streckte die Hand aus und tätschelte seinen Kopf.
»Dann geh jetzt, Edward, oder du wirst dich verspäten.«
»Ja, Mutter.« Wieder stand er vom Tisch auf, zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, den Kummer zu verbergen, den sie fühlte. »Wir lieben dich, mein Junge«, sagte sie.
»Ja, Mutter«, antwortete er.
Das dumpfe Pochen in seinem Kopf verstärkte sich, als er durch die Stadt zu seiner Zweigstelle der Midland Bank ging. Mehrere Leute, die ihn kannten, wünschten ihm einen guten Morgen, und er erwiderte ihre Grüße mit einem höflichen, aber angestrengten Lächeln. Er liebte seine Eltern von Herzen, wünschte aber, sie würden nicht soviel Aufhebens von allem machen, besonders Mutter. Wenn sie nicht lernte, sich weniger um ihn zu sorgen, würde sie sich noch vorzeitig ins Grab bringen. Der Gedanke würgte ihn. Himmel, ja, er mußte daran denken, ihr auf dem Heimweg eine Schachtel Pralinen zu kaufen, um seine Heftigkeit gutzumachen. Er wußte, daß sie den Rest der Woche beunruhigt sein würde, wenn er es nicht täte. Er dachte an seinen Vater und wie er seit seiner Frühpensionierung womöglich noch herrischer geworden war, als hätte
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