Unheil
Passanten, die ihnen nachstarrten und einander dann vergnügt zuschmunzelten. Das gab eine feine Komödie ab, und die gegensätzlichen Gestalten der beiden — einer lang und dünn, der andere kurz und dick — verliehen dem lächerlichen Geschehen eine umwerfende Komik.
Der Hotelbesitzer geriet außer Atem, sein Hinterteil schmerzte mehr und mehr. Seine Hilferufe wurden von den Leuten, an denen er vorbeikam, mit ungläubigem Staunen quittiert, das rasch in Erheiterung umschlug. Endlich sah er, was er erhofft hatte: Ein Polizist kam gerade aus einem Laden und schritt über den Bürgersteig zu seinem Streifenwagen.
»Hilfe!« keuchte der dicke Mann. »Helfen Sie mir!«
Es war gut für Edward, daß auch er rechtzeitig den Polizisten gesehen und seine Gangart zu einem gemächlichen Schlendern verlangsamt hatte. Der fette Mann faßte den Polizisten beim Ärmel und wies mit aufgeregt zitterndem Finger auf den vorbeigehenden stellvertretenden Bankdirektor.
»Dieser Mann! Dieser Mann hat mich verfolgt!«
Der Polizist wandte sich gelassen um und musterte den Dicken, der ihn am Ärmel zog, blickte dann zu dem Passanten, auf den er zeigte. »Halten Sie ihn fest!« fuhr der Dicke aufgeregt fort, ungeduldig wegen der scheinbaren Gleichgültigkeit des Beamten. »Er hat mich angegriffen! Nehmen Sie ihn fest!«
Der Polizeibeamte hatte längst gelernt, daß man niemals eine Aussage akzeptieren durfte, wenn es nicht mindestens einen oder zwei unvoreingenommene Zeugen gab, die Geschichte zu bestätigen. Es liefen allzu viele Verrückte herum, denen es Freude machte, ein Theater aufzuführen und völlig unschuldige Umstehende hineinzuziehen, und dieser fette kleine Bursche schien nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Trotzdem mußte man solchen Beschwerden nachgehen, und sei es nur, um aufgebrachte Gefühle zu beschwichtigen. »Augenblick, Sir«, rief er Edward zu.
»So ist's recht«, sagte der Hotelbesitzer mit einem Gefühl der Befriedigung. »Der Mann ist ein Verrückter. Er gehört hinter Schloß und Riegel!«
»Ja, bitte?« Edward schritt ruhig auf die beiden Männer zu, einen Ausdruck leiser Überraschung im Gesicht.
Der Polizist wurde augenblicklich argwöhnisch gegen den Dicken, der noch immer an seinem Ärmel zupfte. Es schien ziemlich offensichtlich, wer der Verrückte war.
»Dieser Herr sagt, Sie hätten ihn angegriffen, Sir«, sagte er, beinahe entschuldigend.
»Wie bitte?« erwiderte Edward, etwas indigniert, ohne Erregung, aber mit einem Ausdruck, als wäre er neugierig, was es mit der Unterstellung auf sich habe.
»Er sagt, Sie hätten ihn angegriffen, Sir.«
»Das hat er getan! Er hat mich die ganze Straße hinuntergejagt und getreten.« Der Dicke trat näher zu dem Polizisten, als erwarte er jeden Augenblick einen weiteren Tritt.
»Aber da muß ein Irrtum vorliegen«, sagte Edward. »Ich habe diesen Mann nie gesehen.«
Der Polizist bemühte sich, den Dicken zu beruhigen, der sich halb hinter ihm versteckte und vor Aufregung auf und nieder hüpfte. »Er hat mir den Hintern blau und braun getreten. Sie müssen etwas gegen den Mann unternehmen!«
»Getreten? Den...? Also wirklich, das ist ja absurd.« Edward lächelte wohlwollend. »Ich muß jetzt weiter, sonst verspäte ich mich. Aber wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann...«
»Äh, noch einen Augenblick, Sir.« Der Polizist wandte sich dem bestürzten Hoteleigentümer zu. »Haben Sie Zeugen?«
»Aber natürlich, ja!« Der Dicke zeigte auf die Umstehenden. Unglücklicherweise schmunzelten sie nur und beantworteten den fragenden Blick des Polizisten mit Kopfschütteln. v
»Ich sehe«, sagte der Polizist und steckte sein Notizbuch ein.
»Aber er hat mich getreten!« winselte der Dicke.
»Das habe ich nicht getan«, sagte Edward.
»Nun, Sir, ich fürchte, daß ich nichts für Sie tun kann, solange Sie keine Zeugen beibringen können«, sagte der Polizist. »Ich schlage vor, Sie gehen Ihren Geschäften nach und lassen das auch diesen Herrn tun.« Er beachtete das entrüstete Geblubber des Hotelbesitzers nicht, sah über die Schulter zu Edward und sagte im vertraulichen Ton: »Ich bedaure dies, Sir. Es geschieht oft bei diesen Leuten. Sie sehen eine Uniform und nutzen das sofort aus, um sich wichtig zu machen. Aber er ist harmlos.«
»Ich verstehe«, sagte Edward freundlich. »Es ist schon gut. Wirklich.«
»Sie wollen bemerkt werden, das ist alles.« Der Polizist lächelte. »Aber ein origineller Einfall zu sagen, Sie hätten ihn die
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