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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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mußte er beweisen, daß er ein ganzer Kerl war. Gott, war das ein langer Tunnel!
    Er sah sich um und merkte, daß er eine Biegung passiert hatte, denn die Stablampen der beiden Soldaten waren nicht mehr zu sehen. Auch in der anderen Richtung blieb es finster. Er leuchtete mit seiner Lampe nach vorn, konnte aber nur die glänzenden Reflexe an der nassen Tunnelwand sehen. Dunkel wie eine Negerhochzeit! Er mußte in der Mitte der Biegung sein, außerstande, das vordere und rückwärtige Ende des Tunnels zu erblicken — und auch ihn konnten sie nicht sehen. Weit genug, sagte er sich, trat neben das Gleis und lehnte seinen Karabiner gegen die Wand. Er schob die Stablampe in die Achselhöhle und knöpfte sich die Hose auf. Das war auch so eine Sache! Nicht mal pinkeln konnte er vor ihnen. Ihre spöttischen Gesichter verursachten bei ihm gewisse Hemmungen. Sie kannten die Wirkung, die sie auf ihn hatten, und manchmal folgten sie ihm in die Herrentoilette, wenn sie in einem Lokal der N.A.A.F.I. oder in einem Klub waren und stellten sich grinsend zu beiden Seiten von ihm an die Pissoirbecken, während sein Gesicht immer röter wurde, ohne daß er auch nur einen Tropfen herauspressen konnte.
    Sogar jetzt genügte der bloße Gedanke an die zwei, daß er in seiner natürlichen Körperfunktion gehemmt war. Warum mußten sie ihm das Leben schwer machen? Wartet nur, dachte er, bis ich Sergeant bin, dann werdet ihr dafür bezahlen! Vielleicht war es das. Vielleicht wußten sie das und versuchten, seinen Aufstieg zu verhindern. Saukerle!
    Als er so dastand und aus einer Armeslänge Abstand die Tunnelwand anstarrte, die Gesichtszüge vom Reflex seiner Lampe unheimlich erhellt, die Beine gespreizt, und sein Geschäft verrichtete, vertieft in bittere Gedanken, entgingen ihm die Nebelausläufer, die sich wie Tentakel um seine Knöchel legten und dann zu einer wattigen Masse zusammenflossen, die höherstieg und langsam seinen Körper einhüllte.
    »Eddie bleibt lange aus«, bemerkte Buswell. Sein Zigarettenstummel begann die Innenseiten seiner Fingerspitzen anzusengen.
    »Du wirst noch Krebs kriegen, wenn du die Kippen so quälst«, sagte Evans. »Im letzten Stück sind am meisten Nikotin und Teer.«
    Buswell zuckte mit der Schulter. Das war nicht seine Sorge.
    »Komm schon, Corp, was hält dich auf? Hast abgeprotzt?« rief Evans in die Dunkelheit. Er blieb ohne Antwort. »Wahrscheinlich ist er sauer«, sagte er, schnippte seine Kippe in die Finsternis und stützte die Ellbogen wieder auf die Knie.
    »Der arme alte Eddie. Er nimmt es sich zu Herzen, nicht?« sagte Buswell.
    »Ja. Aber er ist in Ordnung. Hat einfach nicht das Zeug zu mehr. Aber mit ihm gibt es immer was zum Lachen.«
    »Glaubst du, daß er es je zum Sergeanten bringen wird?«
    »Nein, kein Gedanke! Jedesmal, wenn es eine Möglichkeit gibt, verpfuscht er sie. Jedesmal!« Evans lächelte, und sein Gesicht nahm im Lampenschein einen boshaften Ausdruck an. »Weiß nicht, wie er es macht.«
    »Was, meinst du, war dieser Nebel wirklich, Ray?« fragte Buswell. Er wußte, daß Evans zu jedem Thema stets mehrere Theorien hatte.
    »Also, ich sage dir, Bernard, ich weiß es auch nicht. Aber auf eins gehe ich jede Wette ein es ist von Menschen gemacht. Es hat was mit der Verschmutzung zu tun, nehme ich an. Es ist wie mit diesen Flüßen, wo sie Tausende tote Fische gefunden haben, nur weil die verdammten Fabriken ihre giftigen Abfälle eingeleitet haben. Nun, diesmal hat jemand was in die Luft abgelassen, verstehst du, das oder Chemikalien, ich weiß nicht was, aber es ist ihnen außer Kontrolle geraten. Wie in einem dieser Horrorfilme.«
    »Dummes Zeug.«
    »Nein, jetzt mal im Ernst! Etwas ist in die Luft geraten und hat sich ausgebreitet. Es ist nicht wirklich Nebel, weißt du. Es ist mehr wie, ah, wie Dampf...«
    Während er seine neue Theorie, die ihm erst beim Sprechen in den Sinn kam, gehörig ausschmückte, zog der Nebel unsichtbar in der Dunkelheit des Tunnels auf sie zu. Dort, wo seine Ausläufer zu dicken Schwaden zusammenflossen, ging die Gestalt eines Mannes. Er hielt einen geladenen Karabiner im Hüftanschlag vor sich, als hätte er das Bajonett aufgesteckt und ginge gegen eine aufrührerische Menge vor. Er hörte die Stimmen, die von vorn kamen, und etwas regte sich in seinem gestörten Geist.
    Der Lichtschein zweier Lampen zeigte ihm die Umrisse der Gestalten. Seine eigene Stablampe lag zerschlagen zwischen den Schienen, weit im Inneren des Tunnels. Er näherte sich

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