Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
einmal von Freddy und ziehe mit Moni los. Es gab Menschen, die mir alle Kraft auszusaugen schienen! Ich kam in der Regel mit allen gut zurecht, liebte die Menschen und war auch selbst beliebt. Nur Freddy schaffte es fast in jedem Gespräch, in mir ein Ohnmachtsgefühl auszulösen. Moni meint dazu, als wir untergehakt ein Stück des leichten Weges gehen, dass es ein Geschenk sein könnte, das ich mir anschauen solle. Ich bin verwirrt. Moni erinnert mich an etwas, das ich schon einmal wusste. Wir funktionieren wie ein Spiegel und erleben im Außen, was wir im Inneren entweder selbst sind, verdrängt haben, oder es gerne mehr wären. Ich überlege, was mir diese immer wieder kehrenden Gespräche mit Freddy sagen wollen. Es geht immer ganz harmlos an, indem Freddy mir ein Kompliment macht und mir dann sagt, dass er gerne mit mir zusammen sein möchte. Dann kommt ein Part, in dem er mir ausmalt, wie sich das gestalten könnte und ich gehe schon innerlich an die Decke. Danach folgt in der Regel ein Gespräch über Freiheit und Unabhängigkeit. Das ist wie ein roter Faden, wie ein vorgefertigtes Inhaltsverzeichnis, dem wir wie unter Zwang folgen. Ich habe das Gefühl, vereinnahmt zu werden, in ein Schema gepresst zu werden, meine Eigenständigkeit zu verlieren. Dann beginne ich mich zu wehren und emotional zu werden, wobei sich meine Sinne vernebeln und ich mich einfach nur schlecht fühle, ohne recht zu wissen, was überhaupt los ist. Moni fragt mich: "Du willst unabhängig sein, aber wovon?" Ich überlege und sage: "Von jeglichem Zwang!" Moni entgegnet: "Dann fühlst du dich unter einem Zwang? Denn wenn du dich frei fühlen würdest, bräuchtest du nicht gegen eine vermeintliche Vereinnahmung ankämpfen." Da trifft sie den Nagel auf den Kopf und ich erkenne, dass wahre Freiheit nur in mir selbst leben kann. Unabhängigkeit hat mit äußeren Faktoren zu tun. Es gibt irgendetwas, oder irgendjemanden, von dem ich unabhängig sein möchte. Freiheit jedoch ist ein Gefühl, das nur ich selbst empfinden kann, sobald ich mich frei fühle, zu sein, wer immer ich sein will. Und ja, da ist es wieder, dieses "ich-muss-passen-und-mich-anpassen-und-darf- nicht-stören-Zeug". Ich fange an zu weinen und Moni streichelt mir, wie schon beim Cruz de Ferro, sanft und tröstend über den Rücken. Ich erkenne, dass die Angst vor Einsamkeit mit meinem Wunsch nach Freiheit kollidiert und dass Entscheidungen, die ich aus Angst heraus treffe, auf Dauer nicht gut für mich sein können. Ich danke Moni herzlich für ihre Zuwendung und ihr Mitgefühl und sie versteht, dass ich alleine weitergehen will. Flotten Schritts und mit dem Gefühl, etwas verstanden zu haben, gehe ich meinen Weg weiter.
Am Alto de San Roque steht ein Pilger aus Metall, der sich gegen Wind und Regen stemmt. Ja, so komme ich mir vor, dass ich mich gegen den Wind des Lebens stemme. Vielleicht sollte ich mich einfach umdrehen und mich vom Wind beflügeln lassen, kommt mir in den Sinn und ich kann wieder lachen über meine hausgemachten "Probleme". Ich verabschiede mich von dem stummen Gesellen und bin froh, dass es trocken und windstill ist und sich nicht nur der Nebel in meinem Kopf verzogen hat.
Eine Radlerherberge
Ich lande wohlbehalten in Triacastela in einer Herberge, vor der Mengen von Fahrrädern stehen. Es ist ein hübsches, freundlich wirkendes, halbrundes Haus. Der Name der Albergue ist Aitzenea, was auf Baskisch "Haus aus Stein" bedeutet, erklärt mir ein Pilger, der mir auch erzählt, dass hier hauptsächlich Fahrradpilger übernachten. Ich bekomme jedoch auch als Fußpilger einen Platz. Es gibt ein richtiges Bad mit heißem Wasser, was ich sofort nutze, um mir die Haare zu waschen, und eine Waschmaschine mit Trockner, was mich in Verzückung geraten lässt, weil ich heute mal nicht die blöde Wäsche mit der Hand waschen muss. Der Aufenthaltsraum mit Wänden aus unverputzten, groben Steinen ist urgemütlich. Ich fühle mich wohl hier und es stört mich auch nicht, dass die jugendlichen Radfahrer ziemlich Rabatz machen. Nach der unpersönlichen Riesenherberge auf dem Berg O Cebreiro ist dies hübsche Haus hier ein Geschenk.
Nein, noch nicht ankommen!
Da die heutige Etappe nur 17 Kilometer lang ist, hänge ich einfach noch eine Distanz an und plane, statt bis Sarria weiter bis Ferreiros zu gehen, was ich später bereuen sollte.
Der Weg zeigt sich von seiner freundlichsten Seite. Bauerndörfer, grüne Hügel, herrliche Aussicht auf dem Pass Alto de Riocabo über
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