Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
lassen.
Camino Duro
Freddy fühlt sich kräftig genug, den Weg fortzusetzen, und ich halte mich mit Ratschlägen zurück. Er ist erwachsen und muss selbst entscheiden, was für ihn richtig ist. Auch in seinem Wanderführer steht, dass heute der Camino Duro auf dem Plan steht. Der Weg heißt so, weil der Aufstieg steil und schweißtreibend ist, aber wunderschön, und im Gegensatz zu dem einfacheren Weg über die stark befahrene Fernstraße, sicher. Auch diesmal wird im Führer davor gewarnt, dass die Laster die Kurven schneiden, ohne Rücksicht auf die Pilger zu nehmen, für die nicht einmal eine Abgrenzung von der Straße vorgesehen ist, geschweige denn ein gesonderter Gehweg.
Der Camino Duro ist für mich nicht hart, sondern einfach herrlich. Ich bin eine Bergziege und von meiner Heimat her gewohnt, Bergtouren zu machen. Der Ausblick ist berauschend, die kleinen verfallenen Bergdörfer idyllisch und anheimelnd. Leider fängt es an, wie aus Kübeln zu schütten. Augenblicklich bin ich völlig durchnässt. Ich nehme meinen Mut zusammen und luge in ein halbzerfallenes Haus, aus dem ein betörender Essensduft kommt. Ein junger Mann winkt mich herein und spricht mich in Deutsch an, ob ich etwas zu trinken wolle. Als ich ihn verwundert ansehe, stellt er sich als Marcel aus Hannover vor. Er sieht so gar nicht deutsch aus, eher wie ein verwegener Franzose, mit seinem dunklen Wuschelhaar. Ich deute auf die riesige Pfanne, die mitten im Raum über offenem Feuer hängt, an dem ich mich wärme und sage mutig: "Ich hätte gerne etwas davon, ich habe einen Bärenhunger." Er lacht und füllt mir auf einen verbeulten Blechteller etwas von dem dunkelroten, undefinierbaren, aber lecker duftenden Brei. Es ist Gemüse mit roten Beeten und Kartoffeln und schmeckt einfach köstlich. Mit Freuden nehme ich auch noch einen Becher Tee an, der mich auch von innen her aufwärmt und fühle mich, trotz meiner nassen Klamotten, wie im Himmel. Marcel erzählt, dass er schon eine Weile hier in dem Bergdorf La Faba lebe und da dieses verfallene Haus anscheinend niemand mehr gehört, habe er sich hier heimisch eingerichtet. Auf meine Frage, wovon er denn hier lebe, lacht er wieder und meint, dass man auf dem Weg hier nicht viel brauche. Und er biete Tai Massagen an. Ich schaue wohl so begeistert, dass er mich fragt, ob ich eine möchte. "Ja klar, will ich!", sage ich spontan und er führt mich zu einer Leiter, die auf den Dachboden führt und bedeutet mir, hinauf zu steigen. Jetzt wird mir doch ein bisschen mulmig, als ich die Leiter hinaufsteige und oben einen weiten Raum vorfinde, in dem in der Mitte eine breite Liegestatt, bedeckt mit Schaffellen, thront. Ich solle meine nassen Klamotten ausziehen, er würde sie unten ans Feuer zum Trocknen hängen und soll mich mit der Decke zudecken. Ein Stoßgebet zu Santiago gen Himmel schickend, gehorche ich, weil ich ja wirklich bis auf die Haut durchnässt bin. Die schwere, kratzige Schafwolldecke ist wohl in ihrem langen Leben noch nie gewaschen worden, kommt es mir in den Sinn, aber sie wärmt mich. Und ich will mich ja nicht anstellen!
Marcel klettert behände die Leiter herauf, zieht mir die Decke weg und wirft mir ein Leintuch über. Dann stellt er sich breitbeinig über mich und bevor ich mich aufregen kann, beginnt er meine Arme und Beine zu dehnen und zu strecken, sanft zu schütteln und ich ergebe mich in die wohltuende Entspannung. Ich komme der Aufforderung nach, mich auf den Bauch zu drehen und liege nun mit dem Gesicht in dem staubigen, streng riechenden Schaffell. Aber schon spüre ich starke, wohltuende Griffe in meinem Rücken und versinke wieder in Wohlgefühl. Zwischendurch habe ich das Gefühl, Marcel steige mir mit einem Fuß in den Rücken, dann spüre ich wieder die Spitze seines Ellbogens unterhalb meiner Schulterblätter, aber immer bleibt der Schmerz im wohligen Bereich und ich gebe mich ganz diesem eigenen Tanz hin. Ich werde gezogen, gedehnt, gedrückt und ich bemerke, wie sämtliche Anspannung weicht, sich die verhärteten Muskeln entspannen, selbst zusammengezogene Sehnen ganz weich werden. Völlig losgelöst liege ich da, nach dieser außergewöhnlichen Behandlung und Marcel meint, ich solle noch liegenbleiben und nachruhen. Irgendwann, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, brachte mir Marcel meine fast trockenen Sachen und meinte, ich müsse aufbrechen, sonst käme ich nicht vor Dunkelheit in der Herberge auf dem O Cebreiro an. Glücklich und dankbar bezahle ich für
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