Unheiliger Engel (German Edition)
die modrigen Mauern eines kalten, feuchten Kellerve r lieses. “
Kälte griff nach ihm und er meinte, den modrigen Geruch des Verlieses wah r zune h men. Ihre Schritte zu hören, wenn sie sich der Kerkertür näherte. Er ballte die Hände zu Fäusten.
„Sie haben mir glühende Ketten auf den Körper geschmiedet , mich eing e sperrt wie ein Tier , gefoltert, gequält und auf alle erdenkliche Arten ve r sucht, mir das Leben zu nehmen. Irgendwann sahen sie ein, dass ich unster b lich war . Drei Jahre und fünfzehn Tage hielten sie mich gefangen, experime n tierten an mir herum und versuchten, hinter das Geheimnis meiner Unsterblichkeit zu ko m men .“
„Grauenvoll.“
„An Flucht aus eigener Kraft war n icht zu denken, denn sie wussten genau, was sie tun mussten. An manchen Tagen brachen sie mir beinahe jeden Kn o chen im Körper, ließen mich täglich zur Ader und Anna trank mein Blut aus einer goldenen Schale. Sie meinte, es würde ihr Macht und Schönheit verle i hen . Viel s päter machte Anna mich mit Giften und Elixieren für andere Dienste gefügig. Zu diesem Zeitpunkt war mir alles egal und ich ließ es g e schehen. “ Sergej senkte den Blick und löste seine ineinander verkrampften Finger. Die Handflächen waren feucht und farblos.
„Gott, Sergej . “ Tom schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich mag mir nicht vo r stellen, was du erleiden musstest und kann deinen Hass verstehen. Diese Be s tien …“
„Irgendwann wurde ihr Versteck angegriffen, sie flohen und ich konnte ein paar Tage sp ä ter aus diesem Dreckloch entkommen“, fuhr Sergej fort.
„Und dann?“
„Danach versteckte ich mich in den Wäldern, verkroch mich wie ein ve r letzter Wolf in einer Höhle und erholte mich langsam.“ Sergej spülte die E r innerung mit einem Schluck Whisky hinunter. „Das war meine erste Bege g nung mit Anna und den Nicht-Menschlichen.“
„Gab es mehrere?“
Er reckte sich, die Schmerzen in seinem Schädel waren quälend. Dazu wühlte ihn auf, dass er Tom alles erzählen musste und ihn vielleicht verlieren wü r de . „Ich mache es kürzer, wenn du erlaubst. Ich verlor ihre Spur und irgendwann vergaß ich sie fast. Das wollte ich auch viel zu sehr und mir ei n bilden, sie wäre in der Zwischenzeit irgendwie zu Tode g e kommen.“
„Kein Wunder.“
„Das zweite Aufeinandertreffen war etwa 150 Jahre später, etwas überr a schend , ähnlich unerfreulich, wenn auch weniger schmerzvoll. Es war in Schot t land, in der Nähe von Inverness. Sie hatte sich einen Clanführer gef ü gig gemacht und war in Begleitung eines der be i den Nicht-Menschlichen, mit denen sie mich damals überwältigt und gefangen gehalten hatte. Leider konnte sie mir entko m men. Zum letzten Mal traf ich sie um 1867 in Bo s ton, ich machte damals nach den Kriegswirren gute Geschäfte und legte den Grundstein zu me i nem heutigen Vermögen. Anna machte auch damals keinen Hehl daraus, dass sie mich wollte und ich heuchelte Interesse vor. Ich spielte ihr vor, mich geändert zu haben, um ihr Ve r trauen zu gewinnen und sie in einen Hinterhalt zu locken . Doch das Feuer hat sie wie auch immer überlebt. Bis Samstag dachte ich, sie sei in den Flammen umg e kommen und ich hatte sie beinahe vergessen.“
Es dauerte einen Moment, bis Sergej die Bilder seines brennenden Stad t hauses verscheuchen konnte. „In den verkohlten Überresten wurden die zur Unkenn t lichkeit verbrannten Leichen einer Frau und eines Mannes gefunden. In der A n nahme, ich hätte Anna und ihren Begleiter getötet , nutzte ich die Gelegenheit , mein L e ben gegen ein neues zu tauschen. Anna muss jedoch geahnt haben, dass ich sie in eine Falle locken wol l te. “
„Das ist eine unglaubliche Geschichte . “ Tom lehnte sich zurück und blickte Sergej lange an. „Ich glaube dir jedes Wort, aber es fällt mir schwer, all e ne u en Wahrheiten über dich zu akzeptieren und zu verstehen.“
Sergej nickte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht . Er fühlte sich müde und ausgelaugt. „Nach diesem Treffen ging ich nach Westen und wollte neu anfa n gen.“ D iese Erinnerungen schmerzten und lange hatte er nicht mehr an seinen la n gen Trip quer durch das weite Land gedacht, geschweige denn darüber gesprochen. Auch nicht ü ber sie, Namid, seine kleine Sternentänz e rin. Sie war eine Halb-Cheyenne gewesen, die seinen Weg gekreuzt und mehr in ihm berührt hatte als jemals erwartet . Eilig verdrängte Sergej d iese Erinnerungen , die quäle n der war en als
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