Unheiliger Engel (German Edition)
„Du hast ger a de an deine Eltern g e dacht. Sie stehen auf einer grünen Wiese und spielen mit einem weiß-braunen Hund. Einem Münsterländer? Deine Mutter winkt dir l a chend zu und dein Vater pfeift nach dem Hund, der Asta heißt. Und jetzt bist du wütend, weil meine Worte sti m men.“
Toms Gesicht verfärbte sich . „Wie oft hast du das gemacht, Se r gej?“
„Selten“, wich er aus. „Ich wahre die Privatsphäre meiner Freunde und blende ihre G e danken aus. Auch das kann ich. “
„Gott, was bist du nur?“ Tom s unsteter Blick und die hektischen Flecken auf seinen Wangen spiegelten Schock, Abwehr und Unverständnis . „Bist du übe r haupt ein Mensch?“
„Ich bin der Gleiche wie zuvor. A llein diese Frage zeigt, dass es richtig war , die Dinge um mich zu verbergen und das, was ich wirklich bin, zu verleu g nen. Nenn mich Freak, Te u fel, Dämon, unnormal, abartig, ich habe das alles schon gehört. “ Wut und Selbsthass schnürten ihm die Kehle zu. W as er befürchtet hatte, passie r te.
„Hast du Maddie davon erzählt?“ , fragte Tom mit gepresster Stimme und um Fassung bemüht.
„Sie weiß nichts über diese Dinge und die Kreatur in mir, wenn du das meinst.“
„Ich sagte nichts von einer Kreatur, verdreh meine Worte n icht. Oder liest du wieder meine Gedanken?“
„Ich tat es nur, weil du es wolltest . “ Sergej erhob sich mit steifen Knochen und wandte sich zur Tür. „Mir lag nicht an dieser dämlichen und überflüssigen D e monstration.“
Er fühl t e sich elend , erschöpft und Toms schockierte Miene stahl ihm den letzten Nerv . Wie gut er diese Reaktionen kannte. Diesen Blick, der ihn zu einem Freak abwertete. Vie l leicht sollte er sich im Zoo in einen Käfig setzen und mit bluttriefenden Fleisch brocken füttern lassen. Sergej , das Monster, Eintritt he u te nur fünf Euro.
„Ich meinte es nicht so, Sergej. Wohin willst du?“
„Entschuldige mich, ich brauche fr ische Luft und muss nachdenken. “ S eine beherrschte Fassade hatte keine Risse, sondern Krater. Wenn er die Fassung verlor, konnte er für nichts garanti e ren. Dann würden Enttäuschung und Wut in blinde Raserei umschlagen.
„Bleib hier . E s geht dir nicht gut und du kannst nicht fahren.“
Wer sprach von Fahren? Etwas in Sergej kicherte irre .
„ Versteh mich bitte, ich muss das Ganze verda u en.“
„ Okay , ich verstehe dich.“
Als sich Sergej zu Tom umdrehte, konnte der ihm nicht in die Augen s e hen. Sergej stöh n te innerlich u nd fühlte Ekel vor sich selbst . Z um Teufel mit allen Menschen!
„ W arte ! “, rief Tom ihm hinterher, doch Sergej verließ den Raum und machte das, was er zwanzig Jahre nicht mehr gemacht hatte.
Er musste hier raus , sofort , nahm seine verbliebene Kraft zusammen, konze n trierte sich und teleportierte seinen Körper weg von diesem Ort. Es funkti o nierte und war bekle m mend. Das Kaminzimmer in seiner ländlichen Villa w ar kalt , dunkel und Sergej fiel auf die dunklen Dielen . M it Schwindelanfä l len und akuter Luftnot lag er dort, s ein Körper zitterte und zuckte, als liefe Strom durch ihn. Beinahe hatte er vergessen, wie anstrengend und verzehrend die Teleportat i on war.
N ach einer halben Stunde hatte er sich so weit erholt , dass er aufstehen, ein Feuer machen und sich auf ein e mit feinem Brokatstoff bezogene Chais e longue legen konnte . Was für ein bescheidener Tag, er war hundemüde. Fl u chend stand er a uf und holte sich eine Wolldecke, mit der er seinen Körper u m hüllte. Sie war sein Schutz, sein Mantel und diese einfach e Hülle hielt ihn z u sammen. Selbst das lodernde Feuer des Kamins konnte die Kälte in ihm nicht vertreiben. Lange blickte er in die zündelnden Flammen, sie waren schön, verschlingend, zerstör e risch, dennoch schön. Manchmal zwang er sie, ihm zu geho r chen.
Seine Gedanken flogen Elaine zu, die Jägerin, sie war eindeutig eine Gefahr für ihn und würde in der Lage sein, sein kaltes Herz zu berühren und zu öf f nen. Aber würde sie den Mann begehren und lieben können, der unter der attraktiven Maske des Sergej Nikolaj Kasamarov ve r borgen war? Den Freak? Das Monster?
*
*
Elaine dachte an die Begegnung mit Sergej auf der Party. Sie waren sich beim Tanzen und i n der Fotoausstellung aufwühlend nahe ge kommen und als sie ging, hatte seine Verabschiedung wie ein Versprechen g e klungen . Ein Ve r sprechen, dass sie bald wieder in seinen A r men sein würde. Mit ihm hatte sie sich lebendig, weiblich,
Weitere Kostenlose Bücher