Unheiliger Engel (German Edition)
Führerschein abgeben musste und zwei Tage von Beamten wieder und wieder vernommen wurde, füh l te er sich wie gerädert. Sein Kampfgeist lag bei n ull und sank in den nächsten Tagen weiter. Das Leben hinter Gittern hatte mit dem angenehmen Society-Leben wenig zu tun. Keine Anneh m lichkeiten, kein Internetanschluss , er hatte noch nicht einmal einen separaten Stromanschluss, was er als weitere und spezie l le Gunst seiner beamteten Gönner auslegte. So konnte er sich weder einen Ka f fee oder Tee kochen noch seinen Rasierer anschließen. Sei es drum, also war Nassrasur ang e sagt. Wenigstens durfte er e igene Kleidung tragen und konnte ein paar Bücher mitnehmen, die ihm ho f fentlich die Zeit etwas erträgl i cher machen würden. Er übte sich in ungewohnter Bescheidenheit und zwang sich zur Ruhe. Es war a b sehbar, dass sie ihm das Leben möglichst schwer machen wollten und dass ein Mann wie er auch unter Mi t gefangenen und Wärtern nicht beliebt sein würde. So hatte er Tom gebeten, von weit e ren Interventionen abzusehen und keine neue, bessere Zelle für ihn zu verlangen. Er würde sich irgendwie mit der Situation arrangieren. Es war ve r dammt kalt, er fror , oder war es die innere Kä l te?
Mit einer Decke über den Schultern harrte er aus, zählte erst Minuten, dann Stunden, bald würden es Tage sein. Er saß in einer spartanisch eingerichteten Zelle mit einer Pritsche, einem Regal, Stuhl und Tisch, einem zentral geste u erten Decken-Fernseher in Miniformat und einem tropfenden, altersschwachen Küh l schrank. Die müffelnde Toilette und Beleid i gung für seine feine Nase war mit im Zimmer, dazu ein kleines Waschbecken mit rostigem Wasserhahn, aus dem au s schließlich kaltes Wasser kam. Auch der Tagesablauf eines U-Häftlings war alles andere als mondän. Um sechs Uhr früh wurden alle Insassen geweckt, was bei Sergej nicht nötig gewesen wäre, denn er hatte kein Auge zugetan. Um sieben Uhr gab es das einfachste Frühstück, das er jemals in seinem Leben als Sergej Nikolaj Kasam a rov genießen musste. Es gab schlechten Kaffee oder Tee mit Milch, hartes Schwarzbrot und Butter, die leicht ranzig wirkte, dazu etwas Ma r melade und Käse. Anstelle eine s Sp a ziergang s in der Gruppe im Innenhof der Anstalt oder der Möglichkeit, etwas Sport zu m a chen, musste er den ganzen Tag in seiner verdreckten Zelle aushalten, unterbrochen von einem undefinierb a ren Mittagsessen, das gegen elf Uhr serviert wurde. Um sechszehn Uhr folgte das übersichtliche Abendessen, es wurde ihm durch die Schweineluke gereicht. Abends konnte er immerhin Fernsehen schauen, ehe um zweiun d zwanzig Uhr das Licht gelöscht wurde und auch das TV verstummte. Nein, ihre Schikanen würden ihn nicht fertigmachen, nahm er sich vor, bevor er d ie einmal weiß g e tünchte Wand niederstarrte, die Flecken zählte und sich gegen aufkommende Panik sowie Enge wehrte , die ihn zu erdr ü cken schien. Nur nicht die Nerven verlieren . Sie hatten ein probates Mittel gefunden, ihn an seine Grenzen zu bri n gen und somit zu schwächen. Die Dunkelheit führte ihn irgen d wann in einen kurzen Schlaf, aus dem er schweißgebadet erwachte. Bis zum Mo r gen harrte er aus, bis das erste Licht durch das schmale, vergitterte Fenster in seine Zelle drang.
D ie nächsten Tag e vergingen und Sergej musste an den Film Und täglich grüßt das Mu r meltier mit Bill Murray denken. Monotonie, nichts war z u tun und es gab kaum Freizeita n gebote, also harrte er dreiundzwanzig Stunden in einer engen Zelle. Zweimal in der Woche durfte er duschen, ansonsten blieb ihm in der Zelle sein kalter Wasserhahn.
Noch ein Tag verging, der aus Stille und Einsamkeit bestand und die Enge wurde schlimmer. Dann dachte er an Namid, ihre strahlenden Augen, ihr sch ö nes Lächeln, das ihn hatte verzaubern können und schließlich wa n derten seine Gedanken zu Elaine. Die Kälte trat wieder in den Hintergrund. Etwas an ihr erinnerte ihn an Namid, denn sie besaß eine ähnlich schöne und lieb e volle Seele, die ihm nahekommen konnte. So schickte er ihr seine Gedanken und den Wunsch, sie bald unter anderen Umständen treffen und berü h ren zu können. Sie leidenschaftlich lieben zu können, stundenlang. Vielleicht hörte sie ihn unterb e wusst und spürte, dass er an sie dachte. Zwischen ihnen hatte sich ein besonderes Band geschlo s sen und die intensive Anziehungskraft zwischen ihnen pulsierte selbst aus der Ferne lebendig und unb e zwingbar.
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Einige Tage nach Sergejs
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