Unheilvolle Minuten (German Edition)
Es wurde berichtet, dass Schadenersatz geleistet worden war und man Harry Bewährung zugebilligt hatte. Die von der Verwüstung betroffene Familie wurde nicht namentlich genannt, und es fehlte jede Erwähnung des Mädchens, das die Treppe hinuntergestoßen worden war.
»Gib’s zu, Buddy. Du hast geglaubt, Harry würde dich und Marty und Randy verpfeifen«, sagte Harry.
Buddy schluckte den Alkohol hinunter; seine Augen begannen ein wenig zu tränen. Was Harry da sagte, ließ sich nicht leugnen.
»Das mache ich dir natürlich nicht zum Vorwurf«, fuhr Harry fort, hörte damit auf, in der dritten Person zu reden. »Bei den Zuständen, die auf der Welt herrschen, erwartet niemand mehr Anstand …«
»Okay, Harry«, hörte Buddy sich sagen. »Ich weiß es zu schätzen, was du getan hast. Ich bin dir wirklich dankbar. Ich finde es toll von dir …« Er suchte nach weiteren Formulierungen, fand aber keine.
»Große Worte«, sagte Harry. »Aber jetzt ist dir die Luft ausgegangen, Buddy. Weißt du, warum? Weil du mit aber weitermachen wolltest. Zum Teufel, ich finde das ja wirklich toll von dir, Harry, aber … Und das aber bedeutet, dass du nach dem Haken suchst. Du denkst, dass ich bei dem, was ich getan habe, irgendwelche Hintergedanken haben muss. Stimmt’s?«
»Aber warum hast du’s getan, Harry?«, fragte Buddy, ließ sich von seiner Neugier übermannen. »Warum hast du die ganze Verantwortung übernommen? Wie hast du deinen Vater dazu gebracht, die gesamten Kosten zu tragen? Wir haben genauso viel Schaden angerichtet wie du. Vielleicht sogar noch mehr.« Der Alkohol tat seine Wirkung, und er dachte an das Zimmer des Mädchens, das erhebende Gefühl, das er empfunden hatte, als er ihre Poster von der Wand riss, die kleinen Figürchen vom Regal fegte, ihr Bett zerfetzte.
»Ist das so schwer zu verstehen?«, fragte Harry. »Hältst du mich für einen Schuft, oder was? Sicher, ich mach gern mal einen drauf, treib ein bisschen Unfug, rauche ein bisschen Hasch und sauf auch mal ein bisschen. Macht mich das gleich zum größten Schurken aller Zeiten? He, Buddy, ich bin nett zu meiner Mutter und falle meinem Vater nicht auf den Wecker. Ich steh mit meinen Leistungen auf der Ehrenliste der Schule. Meine Eltern wissen das zu schätzen. Und als ich Ärger mit der Polizei bekam, hat mein Vater mir geholfen. Mein Vater liebt mich. Er hat den Scheck unterschrieben und keine Fragen gestellt.«
Wieder schaute Buddy zu Harry hinüber. Harry Flowers, guter Schüler, guter Sohn, guter Kerl. Was stimmt an diesem Bild nicht? Oder stimmt es doch?
»Tut mir leid«, sagte er. Der Alkohol machte es ihm leicht, sich zu entschuldigen.
»Es braucht dir nicht leidzutun. Nimm das, was ich getan habe, einfach als das an, was es war. Ich wollte nicht den Helden spielen. Ich habe nur getan, was ich für das Beste hielt, und zwar für uns alle. Warum sollte ich meine Freunde in den Schlamassel hineinziehen, wenn es doch gar nicht nötig war?«
Aber ich bin nicht dein Freund . Wurde Harrys Tat dadurch nicht noch edler? Buddy hatte immer in Begriffen von Gut und Böse gedacht. Man war entweder gut oder böse. Und er hatte sich automatisch zu den Guten gezählt. Ebenso automatisch wurde Harry dadurch zum Bösen. Jetzt war sich Buddy dessen nicht mehr so sicher. Er war sich bei nichts mehr sicher, was ihn selbst anbetraf. Ein guter Mensch beging keine schlimmen Taten. Und er, Buddy Walker, hatte mitgeholfen, das Zuhause einer Familie kurz und klein zu schlagen. Außerdem soff er im Geheimen, kam manchmal betrunken in die Schule. Schaffte es nicht auf die Ehrenliste. Harry stand auf der Ehrenliste. Buddys Vater war zu Hause ausgezogen, hatte die Familie verlassen, während Harrys Vater seinen Sohn liebte. Mein Vater liebt mich und er war bereit gewesen, für den Schaden aufzukommen, den Harrys mutwillige Zerstörung angerichtet hatte.
»Was ist los?«, fragte Harry.
»Nichts«, gab Buddy zurück. Aber – doch, da war etwas.
»Ich weiß, was dir zu schaffen macht«, sagte Harry.
Erschrocken drehte Buddy sich zu ihm um. Konnte Harry seine Gedanken lesen? Harry war stets in der Lage, mit Überraschungen aufzuwarten – war das wieder eine?
»Du fragst dich, wieso ich so ungeschoren davongekommen bin, stimmt’s? Warum mir der Richter Bewährung zugebilligt hat, warum es so wenig Öffentlichkeit gab, warum die Vergehen, für die ich angeklagt wurde, so geringfügig waren? Ist es das, was dir zu schaffen macht?«
Aus Buddy sprach der
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