Unheilvolle Minuten (German Edition)
gegen die Scheibe, und es war ihm ganz egal, ob er Lärm machte oder nicht. Er sagte sich, dass er sich von solchen Überlegungen losmachen musste. Woher sollte diese Frau seine Gedanken lesen können? Und was für geheime Kräfte konnte ein kleines Baby schon haben? Lächerlich. Und doch …
Er war erleichtert, als der Bus im Zentrum von Burnside ankam. Beim Aussteigen schaute er die junge Frau mit dem Baby nicht an. Er musste sich auf die Zerstörer konzentrieren, nicht auf Fremde. Ein Schauder überlief ihn, als er sich überlegte, was er dem Baby hätte antun können. Er hatte es jetzt eilig, zum Schuppen zu kommen und neue Pläne zu entwickeln. Was für neue Pläne? Das wusste er noch nicht so recht. Er schaute ins Schaufenster einer Eisenwarenhandlung und betrachtete die Werkzeuge. Hammer und Säge – wie Waffen, die nur darauf warteten, von ihm benutzt zu werden. Vielleicht konnte er eine Sammlung anlegen, während er auf die Täter wartete. Alles an Waffen zusammentragen, was er nur auftreiben konnte. Er wurde ganz aufgeregt, und in seiner Erregung wäre er fast gegen einen Mann geprallt, der vor der Apotheke stand und Zeitung las. Die Zeitung flatterte wie eine beschmutzte Fahne durch die Luft.
»Entschuldigung«, sagte der Rächer in seiner höflichen Art. Die Aufregung brachte sein Blut in Wallung. Sein Kopf war voll mit Messern und Schießeisen und Äxten und Kneifzangen.
Da der Rächer nur selten die Zeitung las, würde er nie erfahren, dass die Zeitung dieses Herrn einen Artikel enthielt mit der Überschrift Architektensohn gesteht mutwillige Zerstörung .
»Harry freut sich, dass du gekommen bist«, sagte Harry Flowers. Sie saßen in seinem Wagen, zwei Straßen von Buddys Haus entfernt. Buddy war das lieber als ein Treffen an einem öffentlichen Ort. Er wollte nicht zusammen mit Harry Flowers gesehen werden, schon gar nicht von der Polizei.
»Harry dachte schon, du hättest etwas Besseres vor.« Wieder dieser falsche Tonfall. Buddy hasste es, wenn jemand von sich selbt in der dritten Person sprach, so wie Sportler oder Politiker es manchmal taten. Er zuckte mit den Schultern, hatte keine besondere Lust zu reden. Sollte doch Harry den aktiven Teil übernehmen. Dieses Treffen war ohnehin seine Idee gewesen.
Stille senkte sich über das Auto. Die Dämmerung verdichtete sich zu den ersten Stadien der Nacht. Mit zunehmender Dunkelheit wurden die Straßenlampen heller.
»Komm, trink was«, sagte Harry und bot ihm eine kleine Flasche Gin an, die er aus dem Handschuhfach geholt hatte.
Buddy hätte gern abgelehnt, wünschte sich sehnlichst, ablehnen zu können. Aber bei einem Gespräch mit Harry brauchte er jeden Schutz, den er nur kriegen konnte. Er nahm die Flasche entgegen, probierte einen vorsichtigen Schluck, tat dann einen kräftigen Zug. Wie immer verzog er das Gesicht bei dem Geschmack, dem Brennen in der Kehle. Er gab Harry die Flasche zurück und nahm vage wahr, dass Harry nicht daraus trank.
»Sag mir doch mal, Buddy, warum hast du kein Vertrauen zu Harry?«
Die Frage überraschte Buddy. Aber Harry war immer für eine Überraschung gut, ein Meister der verbalen Attacke aus dem Hinterhalt.
»Wie kommst du darauf, dass ich kein Vertrauen zu dir hätte?«, fragte Buddy. Er hoffte, dass der Gin schnell Wirkung zeigte. Er musste entspannt sein, um sich in diesem Gespräch, das heikel zu werden versprach, Harry Flowers gegenüber behaupten zu können.
Wieder reichte Harry ihm die Flasche. Buddy zögerte, wollte immer noch ablehnen, gab aber nach. Himmel, er gab immer nach. Als er die Flasche an den Mund setzte, hielt er vor dem Trinken kurz inne und musterte Harrys Gesicht.
Es ließ sich nicht leugnen, dass Harry Wort gehalten hatte. Er hatte die Schuld an der Verwüstung auf sich genommen, ohne einen anderen Namen mit ins Spiel zu bringen. Sein Vater war für den Schaden aufgekommen. Laut Martys Bericht hatte er sich hingesetzt und ohne Wenn und Aber einen Scheck über einen gewaltigen Betrag ausgestellt. Die ganze Woche über hatte Buddy darauf gewartet, dass das Telefon klingelte. Hatte auf ein Klopfen an der Tür gewartet, auf eine Vorladung, sich bei der Polizei zu melden. Nichts davon war eingetroffen. In der Zeitung war auf der zweiten Seite ein Artikel erschienen, drei Absätze lang und mit einer bescheidenen Überschrift in kleiner Schriftgröße: Architektensohn gesteht mutwillige Zerstörung .
Der kurze Artikel enthielt keine Einzelheiten, nur Harrys Namen und den seines Vaters.
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