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Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Titel: Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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diesen Zustand noch nie erlebt habe.
    Ich muß zugeben, was Sie in keiner Enzyklopädie über mich finden werden, daß ich für diese Angst empfänglich bin. Plötzlich, wenn man sich vorstellt, wie weit von der Erde entfernt und wie allein man durchs All fliegt, kann sie einen packen. Ich habe dann das Gefühl, das uns in den Vorträgen und in den psycho-prophylaktischen Kursen immer au s geredet werden soll, ich wäre ein Meteoritenstäubchen, den kosmischen Kräften ausgeliefert, die wir zwar in Physik durchgenommen haben, die also fast alle erkennbar und berechenbar sind, zum Beispiel die Anzi e hungskraft der Himmelskörper, mit deren Hilfe wir uns zum Teil vo r wärts bewegen, die mich aber beunruhigen, wenn ich darüber nachde n ke, ob nicht vielleicht das, was wir über sie wissen, ein sehr begabter, genialer, großangelegter menschlicher Irrtum ist. Dann zähle ich mir natürlich auf, wie viele schon vor mir ins All gereist sind und die Ric h tigkeit der Wissenschaft bestätigt gefunden haben. Es ist auch nicht die Angst, auf etwas Unbekanntes zu stoßen oder das Gegenteil von dem Eingelernten vorzufinden. Ich möchte ja Unbekanntes und Nichtg e lerntes unbedingt entdecken.
    Aber wenn wir den Erdmond hinter uns haben, wenn die Automatik läuft, dann tritt bei mir in der Regel die Allphobie ein. Ich möchte dann kindischerweise, daß der Raum irgendwo ein Ende hat, daß da Fenster sind, aus denen man friedlich aus dem Raum schauen kann, und daß man dabei im Warmen sitzt. Wenn ich mir den Raum als unendlich vorstelle, friere ich und klappre mit den Zähnen. Ich möchte in etwas Abgeschlossenem sitzen, die Rakete genügt mir nicht mehr. Ich möchte noch eine Kapsel drum herum haben und darum noch eine und wieder eine, ein unendliches System endlicher Kapseln. Aber wenn ich mir das vorstelle, bekomme ich wieder Angst. Einmal muß ich an die letzte Kapsel kommen, und hinter ihr muß etwas sein, was die Kapseln in Ordnung hält, was sämtliche Daten über sämtliche mutmaßlichen Ka p seln, auch über das Meteoritenstäubchen Merkur Erdenson, sammelt und verarbeitet. Oder ist Merkur Erdenson dieser großen elektron i schen Datenverarbeitungszentrale zu unerheblich? Die Möglichkeit beruhigt mich eine Weile.
    Dann wieder finde ich es schlimm, als ein Nichts durch den Raum zu fliegen, ein Nichts, für dessen Reise die Erde Millionen ausgegeben hat. Also sind diese Millionen auch ein Nichts. Ich möchte mich dann in die Koje legen und mich ganz meiner Erscheinungsform als Nichts hing e ben, indem ich nichts tue und auch nichts denke. Aber dann sage ich mir wieder, es kann nicht sein, daß Merkur Erdenson nur ein Nichts ist. Und wenn die große Datenzentrale ihn nicht registriert, um so trauriger für sie. Meinetwegen, Merkur Erdenson ist ein Meteoritenstäubchen, und die Millionen, die für seinen Aufstieg gezahlt wurden, sind nur ein bißchen Erdenstaub, der beim Staubwischen kurz vorm Start vergessen wurde. Aber kleine Ursachen können große Wirkungen hervorbringen. Ich kenne Datenverarbeitungsmaschinen, die durch eine unerhebliche Stelle weit hinter dem Komma verblüffende und für sie blamable Wi r kungen hervorgerufen haben.
    Während dieser Gedanken packt mich wieder die Allphobie. Vie l leicht registriert bereits jemand Merkur Erdensons Gedanken, vielleicht werden sie alle in einer großen Kartei festgehalten. Hinter die Kartei müßte man kommen, denke ich dann.
    Damals, als ich Saturno 7 ruhmreich rettete, war ich auch gerade im Zustand der Allphobie. Nur dadurch, daß wir in Gefahr schwebten, registriert oder unregistriert umzukommen, verging der Zustand. Ich hatte keine Zeit mehr dafür.
    Als ich nun Elektra so verbissen arbeiten sah, fühlte ich die Allphobie heranschleichen. Ich hätte zum Wandschrank gehen und von den Pillen nehmen können, die das Gefühl überbrücken sollten. Aber ich nahm diese Dinger nie. Ich hatte Angst, daß ich zuviel davon erwischte oder daß etwas mit der Dosierung nicht stimmte und daß ich dann perm a nent mutig würde.
    Vielleicht ist es der Traum vieler Menschen, permanent mutig zu sein, besonders wenn sie die historischen Gangsterfilme sehen. Aber ich glaube, mit permanentem Mut würde ich todsicher in die Katastrophe segeln. Ich würde es vielleicht fertigbringen, in den Raum auszusteigen, womöglich im Hemd.
    Ich fragte Elektra: Hast du schon mal die Ermutigungspillen geno m men?
    Nein, gab sie zu, noch nie, ich halte nichts davon, man muß sich selbst ermutigen

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