Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI
Elektra, wir sind, wenn wir das von ihnen a n nehmen, nicht mehr ganz unbefangen. Es könnte vielleicht nicht hu n dertprozentig sauber sein.
Hundertprozentig saubere Sachen möchte ich lieber gar nicht anfa s sen, sagte ich, aber die Sache hier ist sauber genug. Es gibt doch nichts Saubereres als eine Urkunde darüber, daß man jemandem nichts mehr zu zahlen hat.
Ja, sagte sie, von ihnen ist es sehr sauber und sehr anständig. Es b e schämt mich fast, aber ob wir als Abgesandte der Erde so handeln dü r fen? Man hätte uns auf so etwas vorbereiten sollen.
Worauf nun noch? fragte ich.
Elektra war wohl das moralische Antlitz der Erde, im kosmischen Maßstab gesehen, von dem Cäsar Brynn vorm Abflug gesprochen ha t te, ins Gedächtnis geraten. Die Hilfsaktion für gefährdete Wesen auf einem anderen Stern. Ich sagte, genieße die Feier und halte Ohren und Nase und vielleicht auch die Augen offen. Es ist hier bestimmt nicht alles so schön, wie es sich ansieht, sonst könnten sie unmöglich zur Erde wollen.
Mit dieser Feier ließ sich das Volk der Lumen keineswegs lumpen. So eine Feier war mir, wo ich doch zweimal als Weltraumheld befeiert wurde und auch sonst keinen Grund zum Feiern ausließ, noch nie vo r gekommen.
Zuerst kam unsere Festbekleidung, für mich was Kohlschwarzes mit Silberaufschlägen, ein bocksteifes schneeweißes Hemd, eine Halsschle i fe mit Glitzersteinen und eine schwarze Röhre mit einem Ring, die ich so aufsetzen mußte, daß dieser Ring wie der Saturnring meinen Kopf umrandete.
Elektra wurde mit etwas engelhaft Weißem umhüllt, umschleiert, umweht, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Das Weiß schwebte meterweit hinter ihr her. Und dann schleppte ein Lume einen gewalt i gen Strauß mit Sonnenblumen heran, den ich Elektra überreichen sol l te, und eine Lumin steckte mir ein Kästchen mit Ringen zu. Es war hier noch üblich, sich beim Heiraten zu beringen wie die Ornithologen die Vögel.
Kaum waren wir mit der Aufmachung fertig, hörten wir schon ein Getön unten auf dem fliesenbelegten Platz. Wir mußten auf den Balkon treten, und Sonnenblume sagte, ich glaube, unverfälscht gerührt: Das gesamte Volk der Lumen hat es sich nicht nehmen lassen, Sie, mein hochverehrtes Brautpaar, liebe Freunde von der heiligen Mutter Erde, zu beglückwünschen und das Hochzeitsfest mit Ihnen zu feiern.
Bei solchen Anlässen sind Übertreibungen stillschweigend gestattet, man rechnet nicht nach, ob es sich um das gesamte oder nur einen Teil Volk handelt, aber hier fragte ich doch, sollen die paar Leute da unten das ganze Volk der Lumen sein? Das sind nach grober Schätzung höc h stens sechsundvierzig Personen.
Nein, sagte Sonnenblume, es sind fünfundvierzig, dann rechnen Sie sechs Personen Hotelpersonal dazu, fünf Babys, die noch nicht laufen können, und meine Wenigkeit, und Sie erhalten die Zahl siebenun d fünfzig. Das ist die heutige Einwohnerzahl in Lumen ausgedrückt. Er blickte grämlich vor sich hin. Siebenundfünfzig. Sie sind erschüttert, Freund Erdenson, unser Volk zählte vor wenigen Jahren noch siebe n undfünfzigtausend. Das Schicksal hat uns geschlagen.
Diese unheimlichen Erscheinungsformen? fragte ich. Aber wie kö n nen siebenundfünfzig Personen, von denen fünf noch in die Windeln pullern, so einen tollen Luxus unterhalten?
Ich möchte nicht unbescheiden sein, sagte Sonnenblume. Das Volk der Lumen verfügte von jeher über eine hervorstechende Intelligenz. Es konnte aus wenigem schon immer viel entwickeln. Und wenn Sie bedenken, wie unsere Vorfahren hier ankamen, mit einigen Erfindu n gen in der Rakete, gewiß, aber sonst bettelarm, und wie sie anfingen, den Urwald von Omega elf zu roden…
Ja, sagte ich, es ist die Eigenschaft von Vorfahren, immer Urwald zu roden. Alle Vorfahren roden Urwald. Darum kommen sie nicht herum.
Sonnenblume nickte ernsthaft. Die Vorfahren, ja, unsere Vorfahren, sie haben Fehler begangen, aber sie waren konsequent.
Trotzdem, sagte Elektra, wenn siebenundfünfzig minus fünf Pers o nen so eine bis ins kleinste durchdachte, durchstrukturierte und reic h haltige Wirtschaft betreiben, ich meine, lohnt sich denn das für ein so kleines Volk, zum Beispiel dieses Hotel hier?
Wir haben es in Erwartung Ihrer Ankunft gebaut, sagte Sonnenbl u me. Sehen Sie, in diesem Saal, in dem jetzt die Feier stattfinden wird, ist der ganze Plafond mit Sonnenblumen bemalt. Sonnenblumen bilden Ihren Hochzeitsstrauß. Und jeder Lume trägt an seiner Kleidung eine
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