Unirdische Visionen
haben ihn oder es erschossen … vor einer Stunde.«
»H-m-m! Schade, daß sie ihn nicht lebend erwischt haben.«
»Sie sind gut! Wie wollen Sie jemanden festhalten, der Sie dazu zwingt, ihm die Handfesseln abzunehmen und sie sich selber anzulegen.«
»Das«, meinte Rider, »ist das Problem der Jungens vom Sicherheitsdienst im allgemeinen und der Polizei im besonderen. Ich arbeite fürs Schatzamt!«
Walter M. Miller jr.
BEDINGT MENSCHLICH
1950 betrug die Bevölkerung der Vereinigten Staaten etwas über hundertfünfzig Millionen, 1960 schon hundertachtzig und vier Jahre später, 1964 hundertzweiundneunzig Millionen. Rechnen Sie auf Ihrem handlichen Rechenschieber nach und schauen Sie, wo Sie im Jahr 2000 angelangt sind. Ich bringe es nicht fertig; ich habe zuviel Angst.
Walter Miller war im Jahr 1952 über das Anwachsen der Bevölkerung nicht weniger erschrocken, und er präsentiert in dieser zu Herzen gehenden Geschichte eine Lösung, die ebenso schrecklich ist wie das Problem selbst. Im Zusammenhang mit diesem nahezu unlösbaren ethisch-humanitären Problem empfehle ich Ihnen, Vercors’ unvergeßliches »YOU SHALL KNOW THEM« wiederzulesen oder zu lesen, falls Sie es noch nicht kennen.
*
Es hatte keinen Sinn, noch länger nach dem Frühstück herumzutrödeln. Er zog seinen Mantel an und stand da, den Hut in den Händen. Seine Frau fingerte abwesend am Henkel ihrer Kaffeetasse und starrte durchs Fenster auf den Schuppen, in dem die Tiere untergebracht waren.
Leise trat er hinter sie und berührte ihre Schulter. Sie stieß ihn weg.
»Du hast gewußt, daß ich für die F.B.A. arbeite. Du hast es vor unserer Hochzeit gewußt.«
»Ich wußte nicht, daß du sie umbringst.«
»Viele muß ich ja nicht vernichten. Außerdem sind es nur Tiere.«
»Intelligente Tiere!«
»So intelligent wie ein Schwachsinniger meinetwegen.«
»Ein kleines Kind ist schwachsinnig. Würdest du ein kleines Kind töten?«
»Du scheinst Intelligenz als das einzige Kriterium für Menschlichkeit anzusehen«, verteidigte er sich hoffnungslos, wohl wissend, daß man mit logischen Argumenten nicht gegen Gefühle ankam. »Baby …«
»Nenn mich nicht Baby! Nenn sie Baby!«
Norris ging ein paar Schritte auf die Tür zu. Wider besseres Wissen fing er erneut an: »Was soll ich denn tun? Du weißt genauso gut wie ich, wie die Föderation verfährt. Sie schauten sich meine Eignungstests an und schickten mich in die Bioverwaltung. Und wenn ich nicht meinen Begabungen folge, bleibt nur gewöhnliche Arbeit übrig. So ist das Gesetz.«
»Ich vermute, du hast eine Begabung fürs Umbringen von Babys?« fragte sie.
Norris zuckte zusammen. Seine Stimme klang verzweifelt. »Sie haben mich dafür ausgesucht, weil ich Babys mag. Und weil ich ein Examen in Biologie habe und mit Menschen umzugehen verstehe. Kannst du das nicht begreifen! Süße, bevor Anthropos mit diesem Mutationsgeschäft anfing, hatte man Hundefänger. Stell dir vor, ich wäre – so ein Hundefänger!«
Ihre graugrünen Augen maßen ihn kalt. Sie war eine kleine, zierliche Person, aber ihre eisige Verachtung ließ sie größer erscheinen.
»Na, ja, ich muß jetzt an die Arbeit!« Er setzte seinen Hut auf, als es offensichtlich wurde, daß sie keinen Kuß wollte. »Ich … seh’ dich heute abend.«
Er stieg in den Lastwagen und brauste davon. Die Straße führte an pastellfarbenen Plastizoidhäusern vorbei, die in regelmäßigen Abständen in die leicht bewaldete Landschaft gebaut waren. Mit einer Bevölkerung, die gesetzlich auf dreihundert Millionen festgesetzt war, war der größte Teil des Landes zu einem einzigen Vorort geworden, gesprenkelt von Gemeinschafts- und Einkaufszentren und von einem Industriegürtel umgeben.
Er hielt an einer Kreuzung, als er ein kleines Tier, eingewickelt in seinen buschigen Schwanz, am Straßenrand sitzen sah. Sein übergroßer Kopf war oben kahl, aber am Körper war es mit seidigem, hellgrauem Fell bedeckt. Mit seiner niedlichen Zunge leckte es fein säuberlich seine Pfötchen ab. Es hatte große Greifdaumen. Eine Q-5 Katze.
Er schaute die Katze freundlich an. »Wie heißt du, Mieze?«
Die Q-5 Katze starrte ihn für einen Augenblick an und gab dann hohe Quietschlaute von sich: »Kättchen Rorry.«
»Wessen Kind bist du, Rorry? Wo wohnst du?«
Die Katze musterte ihn aufmerksam. Dann fing sie wieder an, ihre Pfoten zu lecken. Er wiederholte seine Frage.
»Mama Kättchen«, sagte sie widerwillig.
»Das ist brav. Mamas
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