Unit Kill
Sonarspezialisten. „Stellen Sie sich vor, sie lassen ein kleines Steinchen in das Wasser fallen. Es entstehen kreisförmige Wellen, die sich genau so ausbreiten wie Schallwellen im Wasser. Am Anfang ist die Krümmung des Kreises sehr stark, aber mit wachsender Entfernung von dem Punkt an dem die Welle erzeugt wurde, wird sie immer flacher.“ Er ging zu dem Sonarpult, blätterte weiter auf ein leeres Blatt in Borstorffs Notizblock und zeichnete einige ineinander verschachtelte Kreise. Links davon zog er eine gerade Linie nach unten und zeichnete oben, unten und der Mitte jeweils ein Kreuz darauf.
„Das ist unser Boot und das sind die drei Sensoren des PRS. Wenn diese Wellenfront hier auf den mittleren Sensor trifft, trifft sie aufgrund ihrer Krümmung mit etwas Verzögerung auf den beiden äußeren Sensoren ein.“ Schmidt nickte verstehend. „Und je nach Differenz dieser Werte, kann man die Richtung und den Abstand zur Schallquelle bestimmen. Und nach weiteren Messungen auch die Geschwindigkeit.“ Hansen zog drei weitere Linien von den drei PRS-Sensoren in die Mitte der Kreise. „Das setzt eine extrem präzise Montage der Sensoren voraus. Natürlich wird das Verfahren mit größerem Abstand immer ungenauer, aber in einem Bereich von etwa fünfunddreißig Seemeilen bekommen wir recht brauchbare Werte.“
Hansen überlegte einen Augenblick, ob er Schmidt auch erklären sollte, dass das PRS auf Grund seiner Eigenschaften in Verbindung mit dem Rechner sogar in der Lage war, Signale unterhalb des Rauschpegels zu erkennen und zu verarbeiten, entschied sich aber dagegen. Vielleicht später einmal, dachte er, wir wollen ihn nicht überfordern. Hansen ging wieder zu seinem taktischen Display, das im Augenblick bis auf die beiden vermutlich weit entfernten Kontakte erfreulich leer war und hörte mit halbem Ohr, wie Borstorff weiter seine Sonar-Vorlesung hielt.
Als Borstorff fertig war, drehte sich herum und sah zuerst Schmidt und dann Hansen an. Hansen erwiderte seinen Blick, schmunzelte leicht und ordnete eine Sonarübung an. Ihr Ziel war eine Feuerleitlösung für den Kontakt in hundertfünfunddreißig Grad. „Machen wir das Ganze so realitätsnah wie möglich. Fangen wir einfach noch mal ganz von vorne an.“
„Danke“, sagte Schmidt und fühlte, obwohl das Ganze nur eine einfache Übung war, so etwas wie Erregung in sich aufsteigen.
Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes, Pullach, Deutschland
Klaasen stand an dem großen Panoramafenster seines Büros und blickte abwesend in die Ferne. Der tägliche Lagebericht seiner Abteilungsleiter war gerade zu Ende gegangen. Aber seine Gedanken waren mit etwas völlig anderem beschäftigt. Die Operation ‚No Nukes’ ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, obwohl der aktive Teil des BND vor fast vier Wochen mit Auslaufen von U 37 vorerst beendet war. Aber er konnte an nichts anderes mehr denken, denn dies würde der absolute Höhepunkt seiner Karriere sein. Aber gleichzeitig überkam ihn eine tiefe Niedergeschlagenheit, denn er hatte niemanden mehr, mit dem er seinen Erfolg, seine Freude teilen konnte. Unvermittelt wurde ihm klar, dass er in den letzten Wochen kaum noch an seine verstorbene Frau gedacht hatte. Und dabei war sie der einzige Mensch gewesen, der ihm je etwas bedeutet hatte. Der einzige Mensch, der mehr war, als nur eine Episode in seinem Lebensplan. Er spürte ein Brennen in seiner Brust, wie schon so oft vorher.
Klaasen überfielen, in letzter Zeit mit zunehmender Häufigkeit, die düsteren Erinnerungen an seine Eltern, an seine trostlose, von überzogen Erwartungen an ihn bestimmte Jugend. Erinnerungen an die unausgesprochene Forderung, unbedingt auf das Gymnasium gehen zu müssen, an den Druck, selbstverständlich auf eine Hochschule zu gehen, an seine Unfähigkeit, sich gegen den Willen seiner Eltern für sein Lieblingsfach einzuschreiben und statt dessen Jura zu studieren.
Ein schmerzliches Grinsen umspielte seine Lippen, als er an den Tag zurück dachte, an dem er sein zweites Staatsexamen abgelegt hatte, und seinem bisherigen Leben einen Schlussstrich gesetzt hatte. Als verbitterter junger Mann, ohne echte Freunde, löste er sich vollkommen von seinen Eltern und plante sein Leben von nun an selbst – nach seinen eigenen Wertvorstellungen. Andere Menschen waren für ihn nicht mehr, als Figuren auf einem Schachbrett. Entweder sah er sie als Störfaktoren, als nützlich, oder, wie in den meisten Fällen, als völlig bedeutungslos an. Selbst der Tod
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