Unmoralisch
Trotz allem begann ihr Herz zu klopfen, als sie Schritte auf dem Gang hörte. Sie gab sich ganz besondere Mühe, ruhig und unbeteiligt zu wirken, obwohl genau das Gegenteil der Fall war.
Aber es war gar nicht Stride. Stattdessen wirbelte Maggie im nassen Regenmantel ins Besprechungszimmer. Sie hielt einen Pizzakarton in der einen und zwei Literflaschen Cola Light in der anderen Hand und grinste Serena fröhlich an.
»Eilzustellung. Es ist Salami drauf, also erzähl mir bitte nichts von vegetarischen Pizzas oder was ihr da unten im Westen sonst so esst.«
Serena lachte und öffnete die Schachtel, sodass sich der Duft von Mozzarella und würzigem Schweinefleisch im Zimmer ausbreitete. Maggie schenkte Cola in zwei Plastikbecher, nahm sich dann ein Stück Pizza, setzte sich und kippte ihren Stuhl so weit zurück, dass die Lehne die Wand berührte. Ihre Beine baumelten ein Stück über dem Boden.
»Hast du den Fall schon gelöst?«, fragte sie.
»Ich bin immer noch der Ansicht, dass es Graeme war«, antwortete Serena lächelnd.
»Ja, das hat die Sache auch wirklich einfacher gemacht. Was von Stride gehört? Guppo hat eben angerufen und gesagt, der Boss ist auf dem Weg hierher.«
»Nein, kein Wort von Jonny.« Serena nahm sich ein Stück Pizza und legte es dann wieder zurück, ohne hineinzubeißen.
Maggie trank einen großen Schluck Cola, musterte Serena und kniff dann besorgt die Augen zusammen. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Klar, warum?«
Maggie tippte sich ans Auge. »Glasige Augen. Tränen. Was ist los?«
»Ach, das.« Serena schüttelte den Kopf. »Das hat nichts zu bedeuten. Ich habe nur an die schlechte alte Zeit gedacht. Dieser Fall nimmt mich irgendwie ziemlich mit.«
»Passiert uns allen mal.«
»Auch wenn man so knallhart ist wie du?«, stichelte Serena.
»Also, ich bin natürlich immer der Fels in der Brandung«, erwiderte Maggie. »Na los, probier die Pizza, die ist wirklich gut.«
Serena nahm das Stück wieder in die Hand und biss hinein. Sie merkte, dass sie hungrig war, nahm immer größere Bissen, bis das erste Stück aufgegessen war, und griff dann nach einem zweiten. Anschließend spülte sie das Ganze mit Cola hinunter, stieß ein langes, wohliges Rülpsen aus und musste kichern.
»Klasse«, kommentierte Maggie mit todernstem Gesicht. »Kann man dich buchen?«
Serena musste so lachen, dass sie Angst hatte, die Cola würde ihr gleich aus der Nase schießen. Maggie fing ebenfalls an zu kichern, und während der nächsten fünf Minuten lachten beide schallend, bis ihnen die Puste ausging. Serena fühlte sich ganz heiß und verschwitzt. Sie wischte sich die Stirn und putzte sich dann mit einer Serviette die Nase.
»Du bist wirklich unglaublich«, sagte sie zu Maggie.
»Vielen Dank«, sagte Maggie mit ihrer besten Elvis-Stimme. »Vielen herzlichen Dank.«
»O Gott, hör auf, sonst fange ich gleich wieder an.« Serena strich sich das Haar aus der Stirn. Sie schloss die Augen und kippte ihren Stuhl an die Wand zurück, wie Maggie es getan hatte.
»Sag mal …«, begann Maggie.
Serena war ganz entspannt und wehrlos. »Was denn?«
»Hat es bei dir und Stride am Flughafen eigentlich ernsthaft gefunkt?«
Serena ließ ihren Stuhl mit einem Ruck wieder nach vorne fallen und riss die Augen auf. Auf Maggies goldenem Gesicht lag ein breites Grinsen. »Was?«
»Ach, tu doch nicht so unschuldig. Du weißt ganz genau, dass er dich will. Stride kann so was nicht verbergen, da kann er sich noch so viel Mühe geben. Und ich habe irgendwie den Eindruck, du willst ihn auch.«
»Maggie, er ist verheiratet. Und wir haben uns gerade erst kennen gelernt.«
Maggie nahm sich ein weiteres Stück Pizza. »Das mag zwar noch Ehe heißen, aber eigentlich ist es längst vorbei. Ich glaube, bis zur Scheidung ist es nicht mehr weit. Zum Glück. Und an der kurzen Zeit solltest du dich nicht aufhängen, Kindchen. Was ist denn der richtige Zeitraum? Eine Woche? Ein Monat? Bei mir hat ein Tag gereicht, um mich in Stride zu verlieben.«
»Du warst verliebt in ihn?«
Maggie nickte. »Jahrelang.«
»Was ist passiert?«
»Gar nichts. Er war damals in einer richtig ernsthaften Liebesbeziehung. Als sie tot war, habe ich meine Chance gesehen. Aber wir sollten offenbar nur Freunde sein, kein Liebespaar. Und dann habe ich das Glück gehabt, Eric zu treffen, und der Mistkerl hat sich tatsächlich nicht abschrecken lassen von meinen ganzen zynischen Sprüchen. Und außerdem war Stride ein bisschen eifersüchtig, was eine
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