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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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Witz sein, was? Dir ist ja wohl klar, Stride, dass ich die gesamte Verantwortung für die ursprünglichen Fehler auf das Ermittlungsteam abwälzen werde.«
    Volltreffer, Serena.
    Stride nickte. »Wir haben durchaus Fehler gemacht, das will ich gar nicht abstreiten. Aber es war deine Entscheidung, ohne Leiche in die Verhandlung zu gehen, Dan.«
    »Ich erinnere mich, dass du mir gesagt hast, Stoner sei unser Mann, er habe es getan.«
    »Das habe ich damals auch geglaubt. Das haben wir alle geglaubt. Aber unsere Beweise waren nicht gut genug. Das habe ich dir von Anfang an gesagt.«
    Dan schüttelte den Kopf. »Wir werden uns darüber keinen öffentlichen Schlagabtausch liefern. Ich erwarte, dass du die volle Verantwortung übernimmst. Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Ich will, dass du dich hinstellst und den Leuten sagst, dass die Polizei Mist gebaut hat. Ich habe in vollem Vertrauen auf die Polizei gehandelt, die mir falsche Informationen geliefert hat. Ihr habt schließlich schon mal einen Mörder entkommen lassen – den Mörder von Kerry McGrath. Und weil ihr so verzweifelt darauf aus wart, zumindest Rachels Verschwinden aufzuklären, habt ihr versucht, das Verfahren zu beschleunigen.«
    Dans Worte enthielten durchaus einen wahren Kern. Stride konnte nicht abstreiten, dass er damals geradezu besessen davon gewesen war, Rachel zu finden oder wenigstens ihren Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Vielleicht war er auch nicht mehr ganz objektiv gewesen, weil er selbst von Stoners Schuld überzeugt gewesen war.
    Aber Dan, Dan ganz allein, hatte darauf bestanden, die Mordanklage vor Gericht zu bringen, obwohl sie keine Leiche vorzuweisen hatten und obwohl ihre Chancen nicht besonders hoch waren.
    »Ich werde meinen Teil der Schuld auf mich nehmen«, sagte Stride. »Aber das ist nicht alles gewesen.«
    »Jetzt schon.«
    »Das hört sich an wie eine Drohung«, bemerkte Stride.
    Dan zuckte die Achseln. »Das kannst du auslegen, wie du willst. Aber falls du versuchen solltest, dich da rauszuwinden, kannst du sicher sein, dass das Konsequenzen hat. Ich werde K-2 keine andere Wahl lassen.«
    »Na, darüber muss ich wohl ein bisschen nachdenken. Hast du sonst noch irgendwelche hilfreichen Ratschläge für mich?«
    Dan schwieg.
    Stride öffnete die Wagentür und stieg aus. Er hielt die Tür so lange auf, dass der Regen Gelegenheit hatte hineinzuprasseln, den Beifahrersitz zu durchweichen und Dans eleganten Anzug zu besudeln. Dann ließ er die Tür zufallen und blieb im Regen stehen, während Dan davonfuhr.

9
    Serena saß allein im Besprechungszimmer des Souterrainbüros im Gebäude der Stadtverwaltung und wühlte sich mit brennenden Augen durch einen Berg vergilbter Papiere. Seite um Seite offenbarten die Aufzeichnungen ihr die Geschichte von Rachels Verschwinden. Das Mädchen nahm vor ihrem geistigen Auge Gestalt an, wie es bei allen Mordopfern der Fall war. Aber diesmal hatte sie zusätzlich das Gefühl, in den Spiegel zu schauen, bis hin zum schwarzen Haar und den smaragdfarbenen Augen. Rachel hätte ohne weiteres ihre Zwillingsschwester sein können.
    Serena musste an ihre Mutter denken. Meine böse kleine Zwillingsschwester – so hatte ihre Mutter sie immer genannt, als sie ein Kind gewesen war, weil sie einander so ähnlich sahen.
    Dabei war ihre Mutter die eigentlich Böse gewesen. Sie hatte dem Teufel für ein paar Gramm weißes Pulver ihre Seele verkauft – und ihre kleine Tochter noch dazu.
    Serena wusste, welches Gift Rachels Herz zerfressen hatte. Sie brauchte gar nicht viel zu lesen, um zu begreifen, was Graeme für ein Mann gewesen war und was für ein Spiel die beiden miteinander getrieben hatten. Es war, als hätte sie es selbst erlebt. Sie hatte dasselbe überwältigende Verlangen nach Rache verspürt. Der einzige Unterschied lag darin, dass sie davongekommen war, obwohl sie tief im Innern spürte, wie knapp es gewesen war.
    Serena schaute auf die Uhr. Sie fühlte sich schrecklich einsam. Daran waren die Erinnerungen schuld. Sie sorgten auch dafür, dass sie Lust auf einen Drink bekam, und das war immer gefährlich. Es war schon nach sechs. Maggie war vor einer halben Stunde losgezogen, um etwas zum Abendessen zu holen, und Stride war spurlos verschwunden. Er hatte am frühen Nachmittag angerufen, um zu sagen, dass er zu einem Banküberfall am anderen Ende der Stadt gerufen worden sei, um den Handlanger für das FBI zu spielen.
    Sie wollte, dass er wiederkam, aber gleichzeitig auch, dass er wegblieb.

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