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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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sie.
    »Wirst du es Graeme erzählen 1 ?«, fragte Emily, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Rachel würde sich diese Gelegenheit, ihrer Mutter ein weiteres Messer ins Herz zu rammen, nicht entgehen lassen. All die sorgfältig gemachten Pläne würden sich in Luft auflösen.
    Doch Rachel überraschte sie.
    »Warum sollte ich?«, sagte sie. »Wo ich doch zum ersten Mal das Gefühl habe, dass wir zwei was gemeinsam haben.«
    Und damit drehte sie sich um und verschwand in ihr Zimmer.
    Emily wünschte, sie hätten ihr das Armband gelassen. Sie hatte nur einen kurzen Blick darauf werfen können. Es war in einem Plastiksäckchen gewesen, und sie hatte nur die Gravur von Tommy erkennen können. Danach hatte der Detective es wieder eingesteckt. Er hatte gesagt, es sei ein Beweisstück.
    Nach der Verhandlung würde sie es zurückbekommen. Falls es überhaupt jemals eine Verhandlung gab. Falls sie jemals herausfanden, was tatsächlich passiert war.
    Sie ging weiter auf und ab. Die Kopfschmerzen wurden nur schlimmer, je länger sie versuchte, sie sich mit den Händen aus dem Kopf zu pressen. Die Wirklichkeit war zu furchtbar, als dass sie sie noch ertragen konnte. Sie brauchte jemanden, der sie in den Arm nahm, ihr sagte, dass alles gut sei, oder der sie einfach stundenlang an seiner Schulter weinen ließ. Sie blieb stehen, starrte ihren Mann an und schüttelte in stummer Wut den Kopf. Er saß an seinem Computer und arbeitete, als wäre sie gar nicht im Zimmer. Er ignorierte ihr Stöhnen, ihr Schluchzen und ihre Schritte auf dem Teppich, hin und her, immer und immer wieder.
    Klapper, klapper, klapper – seine Finger auf der Tastatur. Ihre Tochter war tot, und ihn interessierten nur seine Tabellenkalkulationen.
    Wie hatte sie das nicht sehen können? Wie hatte sie sich nur einreden können, dass sie ihn liebte, dass er sie jemals lieben würde?
    Ihr Blick bohrte sich in seinen Rücken, und sie fragte sich zum wiederholten Mal, wie es überhaupt so weit gekommen war. Rachel war fort, und Emily konnte nur noch daran denken, wie schal und leer ihr Leben und vor allem ihre Ehe war. Alles war vorbei.
    Die plötzliche Stille ließ Graeme nun doch aufmerksam werden. Er drehte sich um und sah sie an. Emily hielt seinem Blick unverwandt stand. Ihre Augen flackerten wild. Sie wusste nicht, wohin mit all dem Schmerz, der sie übermannte. Es war, als hätte man eine Flasche entkorkt. Zitternd stand sie da.
    »Nun setz dich doch hin, Emily«, sagte Graeme. »Entspann dich.«
    Wie er es nur schaffte, immer genau das Falsche zu sagen? Der Klang seiner Stimme war ihr zuwider, dieser ruhige Tonfall, der kein Wort übermäßig betonte. Sie konnte das einfach nicht mehr ertragen.
    »Ich soll mich entspannen?«, zischte sie. »Du wagst es, mir zu sagen, ich soll mich entspannen?«
    Sie starrten einander an. Seine Augen wirkten leblos, er schien geradewegs durch sie hindurchzusehen. Er war geduldig und freundlich. Ein Fremder.
    »Ich weiß ja, wie dir zumute ist«, sagte er, und es klang, als würde er mit einem hysterischen Kind reden.
    Emily presste die Hände an die Stirn. Sie schloss die Augen und verzog das Gesicht. Die Tränen rannen ihr in Strömen über die Wangen.
    »Du weißt überhaupt nicht, wie mir zumute ist, weil du keine Gefühle hast! Du sitzt einfach nur da auf deinem Stuhl, lächelst mich an und tust, als wären wir das perfekte Ehepaar. Und dabei weiß ich doch ganz genau, dass du absolut nichts für mich empfindest.«
    »Das ist jetzt aber eine übertriebene Reaktion.«
    »Übertrieben?« Ihre Fäuste öffneten und schlossen sich krampfhaft. »So, und warum wohl? Warum reagiere ich wohl so übertrieben?«
    Er gab keine Antwort.
    Emily schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie ist tot. Kapierst du das? Sie ist tatsächlich tot.«
    »Sie haben ihr Armband gefunden. Das heißt doch noch gar nichts.«
    »Und ob das etwas heißt«, schrie Emily. »Ich habe Rachel verloren. Und dich habe ich auch verloren, oder etwa nicht? Dich habe ich niemals gehabt.«
    »Bitte, Emily.«
    »Bitte was, Graeme? Bitte geh? Bitte lass mich mit deinen albernen Problemchen in Frieden?«
    Er gab keine Antwort.
    »Warum hast du mich überhaupt geheiratet?«, flüsterte Emily. »Du hättest mir doch einfach Geld geben können. Ich hätte niemandem erzählt, dass das Kind von dir ist. Ich hätte sogar die Stadt verlassen, wenn du das gewollt hättest. Warum hast du mich geheiratet, wo du doch gar nichts für mich empfindest?«
    Graeme zuckte die Achseln.

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