Unmoralisch
sondern wandte sich an Emily. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Mrs Stoner. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, Ihnen die Sache zu erleichtern, dann hätte ich das getan. Ich weiß, was Sie durchgemacht haben.«
Emily nickte, schwieg aber weiterhin. Sie starrte ihren Mann unverwandt an und versuchte offenbar genau wie Stride, die Wahrheit zu erkennen. Doch Graemes Miene gab absolut nichts preis.
»Mr Stoner, ich muss Ihnen Ihre Rechte vorlesen«, sagte Stride.
Graeme zog eine Augenbraue hoch. »Wollen Sie mich etwa verhaften?«
»Nein, aber Sie stehen in diesem Fall unter Tatverdacht. Ich möchte sichergehen, dass Sie Ihre Rechte kennen, bevor wir weitere Maßnahmen ergreifen.« Stride rasselte die Miranda Warnings herunter und sah, wie Graeme dabei voller Abscheu die Stirn runzelte.
»Nachdem Sie jetzt wissen, dass Sie nicht aussagen müssen: Würden Sie mir trotzdem ein paar Fragen beantworten, obwohl Mr Gale nicht anwesend ist?«
Graeme zuckte nur die Achseln. »Ich habe nichts zu verbergen.«
Stride war erstaunt. Wohlhabende Verdächtige sagten sonst niemals freiwillig aus. Aber er wollte sein Glück nicht in Frage stellen. »Es ist bedauerlich, dass die Sache an die Öffentlichkeit geraten ist, Mr Stoner. Dafür muss ich mich entschuldigen. Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte.«
Stride wollte nicht gleich mit den harten Fragen beginnen und Graeme damit auf den Gedanken bringen, dass er vielleicht doch besser beraten war, den Mund zu halten. Er wollte sich langsam zu den unangenehmen Details vorarbeiten. Aber etwas in Graemes Blick gab ihm das Gefühl, dass sein Gegenüber diese Strategie durchschaute.
»Ich schlage vor, Sie finden heraus, wie das passieren konnte, Lieutenant.«
Stride nickte. »Sie werden sich aber trotzdem darüber im Klaren sein, dass die Dinge, die wir herausgefunden haben, für uns viele Fragen aufwerfen. Wir würden gern Ihre Version der Geschichte hören. Deshalb bin ich heute hier.«
»Das kann ich mir denken.«
»Haben Sie mit Rachel geschlafen?«
Das Schweigen lastete im Raum. Emily schien mit angehaltenem Atem auf die Antwort ihres Mannes zu warten. Stride sah, wie sich Graemes Kiefermuskulatur anspannte, sah, wie ihm der Zorn ins Gesicht stieg. Und doch offenbarte seine Miene keine Spur von Schuldbewusstsein, bloß Verachtung. Angesichts dieser unerschütterlichen Gewissheit überlegte Stride, ob sie vielleicht gerade einen Fehler begingen. War der Mann wirklich so ein guter Schauspieler?
»Was für eine unverschämte Frage. Die Antwort ist Nein. Niemals. Ich würde nie mit meiner Stieftochter schlafen, Lieutenant. Und es ist auch nicht passiert.«
»Rachel sagte, es ist passiert«, sagte Stride.
»Das glaube ich nicht«, gab Graeme zurück. »Unser beider Verhältnis zu ihr war nicht das beste, aber ich kann einfach nicht glauben, dass sie eine so unfassbare Lüge verbreitet hat.«
»Sie hat Nancy Carver, der psychologischen Beraterin an ihrer Schule, erzählt, dass Sie kurz nach Ihrer Hochzeit eine intime Beziehung mit ihr begonnen hätten.«
Stride hörte, wie Emily zusammenfuhr und heftig nach Luft schnappte. Graeme warf einen Blick auf seine Frau und sah dann wieder Stride an.
»Nancy Carver? Na, kein Wunder. Dieses Miststück hat sich immer in alles eingemischt. Wussten Sie, dass sie mich sogar angerufen und mir Fragen gestellt hat? Aber sie ist nie so weit gegangen, tatsächlich Vorwürfe gegen mich zu erheben. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie sich bei Ihren Ermittlungen lieber auf sie konzentrieren, Stride. Die Frau ist doch offensichtlich lesbisch. Ich weiß noch, dass ich in der Schule angerufen habe, um mich über sie zu beschweren.«
Stride notierte sich das. Er wollte nachprüfen, ob tatsächlich eine Beschwerde gegen Nancy Carver eingereicht worden war. »Warum sollte Rachel so etwas erfinden?«
»Ich glaube nicht, dass sie das getan hat. Wahrscheinlich hat diese Carver sich die ganze Sache ausgedacht.«
»Rachel hat noch anderen Leuten davon erzählt«, schwindelte Stride.
Diesmal sah er einen Anflug von Zweifel in Graemes Augen, der aber ebenso schnell wieder verschwand, wie er gekommen war. »Das ist schwer zu glauben. Aber falls Rachel das wirklich getan haben sollte, kann ich mir nur vorstellen, dass das Problem bei ihr lag. Vielleicht hat sie sich etwas über mich zusammenfantasiert. Oder sie wollte einen Keil zwischen Emily und mich treiben. Wer weiß das schon?«
»Sie haben also nicht mit ihr
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