Unmoralisch
geschlafen?«
»Ich sagte es bereits: Nein.«
»Sie haben sie auch nicht angefasst oder sonstigen intimen Kontakt mit ihr gehabt?«
»Natürlich nicht«, fauchte Graeme.
»Und sie hat auch Sie niemals angefasst.«
»Ich bin nicht Bill Clinton, Lieutenant. ›Kein Sex‹ heißt ›kein Sex‹.«
Stride nickte. Dass er die Vorwürfe so klar abstritt, konnte der Anklage nur nützen, falls sie doch Beweise für eine Beziehung zwischen Rachel und Graeme fanden. Er wusste allerdings, dass das unwahrscheinlich war. Stoner würde nicht alles so beharrlich abstreiten, wenn er befürchten musste, dass es Beweise für eine solche Affäre gab.
Vielleicht sagte er sogar die Wahrheit.
»Kennen Sie Rachels Schulfreundin Sally Lindner?«, fragte Stride.
Graeme zog die Stirn in Falten. »Ich glaube ja. Sie ist mit diesem Kevin zusammen, wenn mich nicht alles täuscht. Warum fragen Sie?«
»Haben Sie Sally jemals in Ihrem Wagen mitgenommen?«
»Das weiß ich wirklich nicht mehr«, sagte Graeme. »Möglich.«
»Möglich?«
Graeme kratzte sich am Kinn. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich sie irgendwann mal zu ihrem Wagen gefahren. Ihr Fahrrad war kaputt. Aber das ist Monate her, und ich weiß wirklich nicht mehr genau, ob sie es war.«
»Wo haben Sie sie mitgenommen?«
»Irgendwo nördlich vor der Stadt, glaube ich. Ich kam gerade von einer unserer Filialen zurück.«
»Und wo sind Sie mit ihr hingefahren?«, fragte Stride.
»Das sagte ich doch schon. Zu ihrem Wagen.«
»Haben Sie unterwegs irgendwo angehalten?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Graeme.
»Sie behauptet, Sie seien mit ihr zur alten Scheune gefahren.«
»Zur alten Scheune? Ganz bestimmt nicht. Ich habe sie mitgenommen und zu ihrem Auto gefahren. Das war alles, Lieutenant.«
»Das hat also nicht stattgefunden?«, fragte Stride. »Sie sind nicht mit ihr dorthin gefahren?«
»Es hat nicht stattgefunden«, erwiderte Graeme mit fester Stimme.
»Warum sagt Sally dann, dass es stattgefunden habe?«
Graeme seufzte.
»Woher soll ich das wissen, Lieutenant? Vielleicht hat Rachel sie dazu angestiftet.«
»Rachel?«, fragte Stride. »Warum sollte Rachel so etwas tun?«
»Sie ist ein schwieriges Mädchen«, erwiderte Graeme.
Maggie deutete auf einen Aktenschrank aus Eichenholz mit drei Schubladen. »Du fängst damit an. Ich nehme mir den Schreibtisch vor.«
Der Polizist, der sie begleitete – ein schlaksiger Fünfundzwanzigjähriger, dessen Gesicht immer noch von Pickeln übersät war –, nickte und kaute geräuschvoll auf seinem Kaugummi herum. Er hieß Pete und war erst seit ein paar Monaten bei der Polizei, nachdem er ein paar Jahre bei privaten Sicherheitsdiensten gearbeitet hatte. Maggie mochte ihn. Er war frech und selbstbewusst, aber er hatte noch eine Menge zu lernen. Gerade erst hatte er eine Blase mit dem Kaugummi gemacht und sie mit dem Zeigefinger seiner behandschuhten Hand zum Platzen gebracht. Maggie hatte ihm fast den Kopf abgerissen und ihm einen Vortrag über die Verunreinigung von Tatorten gehalten. Außerdem gingen ihr die Kaugeräusche furchtbar auf die Nerven.
Pete hörte auf, Blasen zu machen, kaute aber geräuschvoll weiter, um sie zu ärgern. Maggie wusste, sie hätte genau dasselbe getan. Das gefiel ihr an ihm.
Sie waren in Graeme Stoners Arbeitszimmer im oberen Stockwerk des Hauses. Graeme hielt den Raum tadellos in Ordnung. Auf dem großen, handgeschreinerten Schreibtisch aus Eichenholz befanden sich ein Computerbildschirm und eine Tastatur, ein paar Bücher, die nach Themengebieten geordnet waren, und zwei Stapel CDs . Maggie sah sie durch. Der eine Stapel gab ihr Auskunft über Graemes Musikgeschmack: Offenbar bevorzugte er bombastische Mahler-Symphonien. Der andere Stapel bestand aus CD-ROMS mit dem Aufdruck »Vertraulich« und dem Stempel von Graemes Bank.
»Guppo soll sich die ganzen CD-ROMS und die Festplatte anschauen«, sagte Maggie. »Beschrifte die, und pass auf, dass wir alle mitnehmen.«
Pete grunzte. Er durchsuchte gerade die erste Schublade des Aktenschranks.
Maggie sah sich im Zimmer um und registrierte den Geschmack des Bewohners. An den Wänden hing eine dunkelblau gemusterte Tapete mit kleinen Goldtupfern, die genau zu dem dunklen, goldenen Farbton des Teppichbodens passten, darauf ein paar Original-Aquarelle, hauptsächlich Landschaftsdarstellungen, die Maggies ungeschultem Auge qualitativ hochwertig und teuer erschienen. Der Schreibtisch und der gewaltige, ledergepolsterte Schreibtischstuhl
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