Unmoralisch
dominierten den Raum, der bis auf den Aktenschrank, eine Wand voll eingepasster Bücherregale mit gebundenen Büchern und einen aufwändigen Polstersessel mit passendem Sofa keine weiteren Möbel enthielt. An einer Ecke des Schreibtischs stand eine schlanke Messinglampe mit rundem Schirm.
Es war ein edler und steriler Raum, der Reichtum, aber keinerlei Persönlichkeit ausstrahlte. Das war ihnen auch schon im Schlafzimmer aufgefallen: ein elegantes Ambiente, bei dem man sich kaum vorstellen konnte, dass tatsächlich Menschen darin lebten. Maggie und Pete hatten fast zwei Stunden im Schlafzimmer und im Bad zugebracht, Schubladen durchforstet und nach irgendwelchen Geheimnissen gesucht. Aber sie hatten nichts gefunden. Die Zimmer waren nur insofern interessant, dass sich absolut nichts darin finden ließ. Keine Verhütungsmittel, kein Sexspielzeug, keine Pornofilme. Maggie fragte sich, wann Graeme und Emily wohl zum letzten Mal miteinander Sex gehabt hatten.
Aber das spielte ja eigentlich keine Rolle. Die Frage war schließlich, ob Graeme und Rachel jemals Sex gehabt hatten. Doch sie hatten nichts entdeckt, was als Beweis für Nancy Carvers Behauptung hätte dienen können, und Maggie erinnerte sich, dass sich auch in Rachels Zimmer, das sie gleich nach ihrem Verschwinden durchsucht hatten, keine greifbaren Beweise für eine inzestuöse Beziehung gefunden hatten.
Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie Rachel mit Graeme allein in diesem Haus gewesen war. War es im Schlafzimmer passiert? In ihrem Zimmer? Auf dem Badezimmerboden? Hatte er sich auf sie gelegt, oder hatte er sie gezwungen, sich auf ihn zu setzen? Hatte er sie von hinten genommen? Hatte er sie auf die Knie gezwungen und sie dazu gebracht, ihm einen zu blasen?
Beweise. Das war das Allerschwierigste. Solange von Rachel jede Spur fehlte, konnte Graeme die Beziehung weiterhin gefahrlos abstreiten, denn es gab keinen Hinweis darauf, dass in diesem Haus überhaupt jemals sexuelle Handlungen stattgefunden hatten. Es gab nur das, was Rachel anderen Leuten erzählt hatte – und das war vor Gericht völlig wertlos.
»Was ist in dem Aktenschrank, Pete?«, fragte Maggie.
Ihr Kollege zuckte die Achseln. »Steuerberichte. Garantiescheine. Der Typ hat alles aufgehoben.«
»Sieh alle Akten durch und nimm die Steuerberichte mit. Wir brauchen Kopien davon.«
Maggie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Schreibtisch zu. Sie nahm jedes einzelne Buch vom Tisch, blätterte es durch und stellte es zurück. Dann machte sie nacheinander die Schubladen auf, durchsuchte sie von vorn bis hinten und kniete sich dann hin, um die Unterseite der Schubladen zu inspizieren, für den Fall, dass dort etwas festgeklebt war.
Dann schaltete sie den Computer ein. Sie hatte keine Zeit, die Festplatte Byte für Byte durchzugehen – das war auch Guppos Aufgabe –, aber sie wollte zumindest nach E-Mails suchen und sich die Internetseiten anschauen, auf denen Graeme gesurft war. Um sicherzugehen, dass sie nicht versehentlich etwas an der Beweislage änderte, druckte sie zunächst das vollständige Verzeichnis sämtlicher Dateien, die sich auf der Festplatte befanden, auf dem Laserdrucker aus. Dann schloss sie ein externes Laufwerk an die USB-Schnittstelle des Computers an und kopierte den Inhalt von Graemes Festplatte. Als sie damit fertig war, schloss sie das Laufwerk an das mitgebrachte Notebook an und rief das Image von Graemes Computer auf.
Als sie den Internet Explorer öffnete, entdeckte sie zu ihrer Überraschung, dass das Verzeichnis der aufgerufenen Websites gelöscht worden war. Es gab keinerlei Belege über besuchte Websites, und auch unter »Favoriten« war nichts gespeichert.
»Das ist ja interessant«, sagte Maggie halb zu sich selbst. »Offenbar hat der gute Graeme aufgeräumt.«
»Was?«, fragte Pete.
»Nicht eine gespeicherte Website. Dabei ist der Mann bei seiner Bank Leiter für den Bereich E-Commerce. Ist so was möglich? Offenbar wollte er nicht, dass jemand weiß, was er sich im Internet so anschaut.«
Als Nächstes rief Maggie Outlook auf. Das E-Mail-Programm war genau so leer wie der Internetbrowser: nichts im Posteingang, keine versendeten E-Mails und auch keine gespeicherten. Es war, als hätte der Mann nie irgendwelche E-Mails mit diesem Computer empfangen oder verschickt, obwohl Maggie ganz genau wusste, dass das unmöglich war.
Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Sie fragte sich, ob Graeme vielleicht bei einem kostenlosen
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